manuelletherapie 2011; 15(5): 195
DOI: 10.1055/s-0031-1281916
Leserbrief

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Leserbrief zu: Von Piekartz H. Leserbrief

O. Endreß
  • 1Physiotherapie Oliver Endreß, Schriesheim
Further Information

Publication History

Publication Date:
19 December 2011 (online)

manuelletherapie 2011; 15: 143 – 144

Sehr geehrter Professor von Piekartz,

mit großem Interesse habe ich Ihren Leserbrief und die von Herrn van Minnen und Herrn van den Berg verfolgt. Ich stimme Ihrem Grundgedanken zu, aber in einigen Punkten bin ich nicht einverstanden. Sie schreiben von 2 im deutschsprachigen Raum existierenden Gruppen an Weiterbildung interessierter Therapeuten. Laut Wikipedia [1] ist eine Bevölkerungsgruppe eine Zusammenfassung von Personen nach einzelnen statistischen Merkmalen.

Zum einen beschreiben Sie die Therapeuten ohne akademischen Hintergrund, die Gruppe der Praktiker und Kliniker, die versuchen, ihre Patienten bestmöglich zu behandeln, die Fortbildungen besuchen, um Fertigkeiten und Zertifikate zu erlangen und um ihre Patienten so besser zu behandeln. Diese Gruppe charakterisieren Sie als Personen, die keine Deadlines und individuelle Assessments mögen, weil die Priorität in der Praxisführung liegt. Die Gruppe versteht Ihrer Meinung nach auch nicht den Zweck von Kompetenzunterricht und Gruppenarbeit. Die andere Gruppe der akademischen Therapeuten besitzt nach Ihrer Auffassung wenig klinische Expertise, die Kollegen sind alle jung und können wissenschaftlich denken und arbeiten.

Ich stelle mir die Frage, aufgrund welcher Fakten Sie zu dieser Meinung gekommen sind. Wie oben bereits erwähnt, ist eine Bevölkerungsgruppe eine Zusammenfassung von Personen nach einzelnen statistischen Merkmalen. Haben Sie Ihre Kursevaluationen ausgewertet und sind anhand dieser Daten zu Ihrer Gruppeneinteilung gekommen? Vielleicht haben Sie ja auch mit jedem Kursteilnehmer Einzelgespräche geführt? Es wäre sehr interessant, mehr Details darüber zu erfahren.

In welche Gruppe teilen Sie die Therapeuten ein, die schon jahrelang klinisch arbeiten und in den letzten Jahren ihren BSc und MSc absolviert haben, und in welcher Gruppe landen die Therapeuten mit einer OMT-Ausbildung? Kann man als Kliniker nicht auch an wissenschaftlichen Projekten arbeiten und über evidenzbasierte Praxis verfügen, ohne an einer Betriebs(Praxis-)blindheit zu leiden?

In vielen bekannten Weiterbildungsprogrammen sitzen oft bis zu 30 Teilnehmer (und mehr!) mit einem Instruktor, teilweise von einem Assistenten unterstützt oder auch nicht. Die Frage stellt sich, ob in dieser Konstellation effektives Unterrichten, Gruppenarbeit, individuelle Assessments und das Verbessern technischer Fertigkeiten überhaupt möglich ist.

Meines Erachtens bedarf das Erkennen der Gruppen und der Lerntypen viel mehr Informationen, Hintergrundwissen und Evaluation der Kurse. Auch erfordert es eine gewisse Arbeitsatmosphäre, die Gruppenarbeit, individuelle Assessments und das Verbessern klinischer Fertigkeiten möglich macht. Diese ist oft nicht annähernd gegeben.

Die Frage, die in der bisher stattgefundenen Diskussion noch keine Rolle spielte, ist, ob in Zukunft nur noch die finanziellen Möglichkeiten eines Therapeuten über seine persönliche Weiterentwicklung entscheiden.

Ich hoffe, die Diskussion führt zu einer Veränderung der Fort- und Weiterbildungsqualität, ohne eine Zweiklassengesellschaft innerhalb der Physiotherapie.

Literatur

Oliver Endreß

Schriesheim

    >