Dialyse aktuell 2011; 15(05): 266
DOI: 10.1055/s-0031-1283085
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Assoziation mit kardiovaskulären Risikofaktoren bei Diabetikern – Bedeutung diverser Blutzuckerindizes: die ADAG-Studie

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Publication Date:
27 June 2011 (online)

 

Quelle: Borg R, Kuenen JC, Carstensen B et al. HbA1c and mean blood glucose show stronger associations with cardiovascular disease risk factors than do postprandial glycaemia or glucose variability in persons with diabetes: the A1C-Derived Average Glucose (ADAG) study. Diabetologia 2011; 54: 69–72

Thema: Die Bedeutung der Variabilität des Blutzuckers (BZ) und postprandialer Hyperglykämien für die Risikofaktoren kardiovaskulärer Erkrankungen und die daraus resultierende Mortalität ist umstritten.

Bisher liegen nur wenige Informationen über einen unmittelbaren Zusammenhang dieser Parameter mit relevanten diabetesassoziierten Endpunkten vor. Diese beruhen meist auf einzelnen postprandialen Blutzuckerwerten im Rahmen eines oralen Glukosetoleranztests. Dennoch wird die postprandiale BZ-Einstellung in Therapieleitlinien zunehmend neben dem HbA1c als Zielparameter berücksichtigt.

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(Foto: Fotolia, Fotograf: V. Yakobchuk)

Projekt: In der Studie von Borg et al. wurden die Beziehungen zwischen verschiedenen Blutzuckerindizes und kardiovaskulären Risikofaktoren untersucht. Dazu wurden bei 268 Typ-1- und 159 Typ-2-Diabetikern in einem Zeitraum von 16 Wochen tägliche BZ-Profile anhand von Selbstkontrollen und 3-malig ein kontinuierliches Glukosemonitoring (CGM) durchgeführt. Neben dem postprandialen BZ und dem HbA1c wurden aus dem CGM zudem die Gesamthyperglykämie (als "area under the curve" (AUC) für BZ-Werte über 140 bzw. 200 mg/dl in den ersten 24 h des CGM und als postprandiale AUC 2 Stunden nach einer Mahlzeit) und die glykämische Variabilität (als mittlere Amplitude der BZ-Exkursionen (MAGE) sowie mittlere maximale Exkursionen in den hypo- und hyperglykämischen Bereich (CONGA)) ermittelt. Mittels Regressionsanalyse erfolgte die Untersuchung auf einen Zusammenhang mit bekannten kardiovaskulären Risikofaktoren (hohes LDL, niedriges HDL, hsCRP, Blutdruck).

Ergebnisse: Der HbA1c und der mittlere BZ zeigten einen deutlichen Zusammenhang mit den Risikofaktoren. Auch post-prandiale BZ-Werte, Nüchtern-BZ und Gesamthyperglykämie waren mit einem kardiovaskulären Risiko assoziiert, jedoch in geringerem Maße. Ein maximaler postprandialer BZ-Anstieg und die glykämische Variabilität wiesen hingegen keinen Zusammenhang auf. Dasselbe Ergebnis zeigte sich bzgl. der Kombination aller ermittelten kardiovaskulären Risikofaktoren.

Fazit: Während der mittlere BZ und der HbA1c die stärkste Assoziation mit kardiovaskulären Risiken aufwiesen, ließen sich aus dem CGM im Vergleich zur BZ-Selbstkontrolle keine weitergehenden Informationen gewinnen.

Schlüsselwörter: CVD-Risiko – Glukosemonitoring – Glukosevariabilität – postprandiale Glykämie – HbA1c – Diabetes

Dr. Felix Kulozik, Heidelberg

Kommentar

Die vorliegende Studie weist darauf hin, dass die Bestimmung postprandialer BZ-Werte und der glykämischen Variabilität zwar für die mittlere BZ-Einstellung von Bedeutung ist. Der Einfluss des postprandialen BZ auf die beschriebenen kardiovaskulären Risikofaktoren wird jedoch offenbar bereits ausreichend durch die Bestimmung des mittleren BZ bzw. des HbA1c erfasst. Während Raz et al. bei Patienten mit KHK keinen zusätzlichen Nutzen der Bestimmung postprandialer BZ-Werte hinsichtlich weiterer kardiovaskulärer Ereignisse feststellten [1], ergab eine frühere Studie mit Typ-2-Diabetikern eine unabhängige Bedeutung postprandialer BZ-Peaks für arteriosklerotische Veränderungen der Karotiden [2]. Kürzlich konnte zudem gezeigt werden, dass Parameter der glykämischen Variabilität eine von dem HbA1c unabhängige Bedeutung für die Entwicklung kardiovaskulärer Komplikationen haben [3], [4]. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie deuten darauf hin, dass der Zusammenhang der glykämischen Variabilität und der postprandialen Hyperglykämie mit kardiovaskulären Ereignissen nicht durch die Assoziation mit kardiovaskulären Risikofaktoren zu erklären ist.

Dr. Felix Kulozik, Heidelberg

 
  • Literatur

  • 1 Raz I, Wilson PWF, Strojek K et al. Effects of prandial versus fasting glycemia on cardiovascular outcomes in type 2 diabetes: the HEART2D trial. Diabetes Care 2009; 2009: 381-386
  • 2 Esposito K, Giugliano D, Nappo F, Marfella R. Regression of carotid atherosclerosis by control of postprandial hyperglycemia in type 2 diabetes mellitus. Circulation 2004; 110: 214-219
  • 3 Marcovecchio ML, Lucantoni M, Chiarelli F. Role of chronic and acute hyperglycemia in the development of diabetes complications. Diabetes Technol Ther 2011; 13: 389-394
  • 4 Su G, Mi S, Tao H et al. Association of glycemic variability and the presence and severity of coronary artery disease in patients with type 2 diabetes. Cardiovasc Diabetol 2011; 10: 19