Der Nuklearmediziner 2011; 34(03): 193-194
DOI: 10.1055/s-0031-1284375
Mitteilung des BDN
George Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ausgleich des Vitamin-D-Mangels – klug auch bei EHEC-Epidemie!

Compensation of Vitamin-D Deficiency – Prudent in EHEC-Epidemical Infection too!
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Publication Date:
26 September 2011 (online)

Die EHEC-Epidemie mit gehäufter letaler Entwicklung des hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) entwickelt sich zu einer allgemeinen Gefahr, der – im Gegensatz zur Fukushima-Hysterie – letztlich jeder relevant ausgesetzt ist. Eine begründbar wirkungsvolle medikamentöse Prophylaxe konnte bisher nicht vorgeschlagen werden. Es liegen aber experimentelle Daten vor, die belegen, dass auch im Darmtrakt eine peptidabhängige natürliche Infektresistenz bei Läsionen jeglicher Art besteht, insbesondere für EHEC ist dieser Zusammenhang gesichert. Der Ausgleich des Vitamin-D-Mangels, der in Deutschland relevant und wissenschaftlich gesichert ist, ist eine allgemeinärztliche und fachärztliche Verpflichtung.

Vitamin D wird unter dem Einfluss des energiereichen UVB-Anteils der Sonnenstrahlung in der Haut gebildet. Diese Wirkung wurde von Finsen in Dänemark erstmalig erkannt und therapeutisch genutzt, während die genaue Vitamin-D-Struktur mit nachfolgender Synthesemöglichkeit durch Windaus in Deutschland aufgeklärt wurde – beide Leistungen schon im letzten Jahrtausend mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Während die skandinavischen Länder dieses Wissen seit jeher nutzen und Vitamin-D-haltiges Fischöl zur Volksnahrung in allen Altersstufen gehört, zählt die konsequente Nutzung dieser Erkenntnis durch Ärzte, Ärztekammern, Gesundheitsämter, medizinische Fakultäten, wissenschaftliche Gesellschaften und Gesundheitspolitik in Deutschland leider nicht zu den Pflichtaufgaben. Wir können daher im internationalen Vergleich in Deutschland ausgeprägten Vitamin-D-Mangel beobachten, wenn man von den ersten beiden Lebensjahren mit der bekannten Vitamin-D-Prophylaxe absieht.

Wenn man sich für ein langes und möglichst gesundes Leben entscheidet, dann sollte die Aufmerksamkeit neben Herz und Kreislauf vornehmlich der Infektionsresistenz, einem stabilen Immunsystem und ausreichender Knochendichte gelten.

Das ist der Grund, weshalb außerhalb von Deutschland weltweit eine intensive Vitamin-D-Forschung stattfindet mit ca. 2 000 Publikationen pro Jahr, denn Vitamin D moduliert relevante Anteile des Genoms, es hat an nahezu allen Körperzellen spezielle Rezeptoren und beeinflusst das Entzündungs- und Immungeschehen vielfältig neben der bekannten Bedeutung für den Knochenstoffwechsel.

Die besondere Bedeutung des Vitamin D für das Entzündungsgeschehen bei Haut- und Schleimhautverletzungen liegt darin, dass bei jeder Läsion über einen Vitamin-D-abhängigen Prozess körpereigene antibiotisch wirkende Peptide (Defensin, Cathelizidin) freigesetzt werden, die die Entwicklung einer Infektion aus den vorhandenen Erregern verhindern können. Die unspezifische natürliche Sofortreaktion ist Grundlage jeder Infektionsresistenz, sie ist bei Vitamin-D-Mangel stark geschwächt.

Dieser Zusammenhang ist tierexperimentell auch gut belegt für EHEC-Infektionen, ohne dass diese Kenntnisse bisher als Motivation zum Abbau des ohnehin als sinnvoll erachteten Abbaus des Vitamin-D-Mangels geführt hätte. In Anbetracht der völligen Ratlosigkeit der staatlichen Institutionen hinsichtlich einer neben bekannten Hygienemaßnahmen begründbaren Vorsorge sollten diese Kenntnisse konsequent genutzt und als Empfehlung an Familien, Freunde und Patienten vermittelt werden.

In der Pädiatrie und Pneumologie sind diese Zusammenhänge schon besser bekannt. Aktuelle Untersuchungen aus Japan zeigen, dass Kinder unter ausreichender Vitamin-D-Versorgung eine geringere Häufigkeit von Influenza-A-Viren in der Nasenschleimhaut aufweisen und bei Asthma bronchiale viel weniger Asthmaanfälle bekommen. Der gleiche Zusammenhang gilt für die kindliche Bronchiolitis in den Wüstenländern mit schwerem Vitamin-D-Mangel, denn die Sonne wird dort konsequent gemieden.

Die Qualität der natürlichen Infektresistenz ist bei jeder saisonalen Erkältungserkrankung oder viralen Grippeerkrankung ausschlaggebend dafür, ob diese, durch begleitende Behandlung unterstützt, milde verläuft oder nach bakterieller Infektion mit eitrigen Komplikationen, die der intensiven Antibiotikabehandlung bedürfen, mit Arbeitsunfähigkeit und Bettlägerigkeit. Bei greisen Patienten bedeutet das nicht selten schwerste Lebensgefahr.

Bei ausgeglichenem Vitamin-D-Mangel treten Scheideninfektionen bei Schwangeren nur sehr selten auf, und bei Pfeiffer’schem Drüsenfieber („Studentenküsskrankheit“) konnte man nachweisen, dass das Ebstein-Barr-Virus den Vitamin-D-Rezeptor blockiert. Dazu liegen erstaunliche Einzelberichte vor über spektakuläre Heilungserfolge durch hochdosierte Vitamin-D-Gaben.

Vitamin D als Immunmodulator ist ein Schutz- und Präventionsfaktor bei Krebserkrankungen, insbesondere bei Tumoren des Magen-Darm-Traktes, Prostatakrebs und Brustkrebs. Dies ist aus wissenschaftlicher Sicht schwierig überzeugend nachzuweisen.

Diese Erfahrungen kann man konsequent nutzen, so wie es in den skandinavischen Ländern seit Jahrzehnten üblich ist, ohne dass das dort erst durch statistisch fundierte wissenschaftliche Arbeit zweifelsfrei begründet werden musste. Es reichte die kluge Beobachtung und die Erfahrung einer Bevölkerung, die sich seit Jahrhunderten in hohem Umfang durch Fisch ernährt. Epidemiologische Untersuchungen aus Finnland belegen, dass Menschen ohne Vitamin-D-Mangel deutlich länger leben.

In Deutschland wird der Vitamin-D-Mangel mit seinen weitreichenden Folgen durch die wissenschaftlich orientierte Hochschulmedizin kaum wahrgenommen. So bedurfte es der Bemühungen der ökotrophologischen Forschung und ihrer Publikationsmöglichkeiten, die vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse ernst zu nehmen und interessierten Kreisen nahezubringen.

Einige grundlegende Fakten:

  • Im sommerlichen Sonnenlicht entstehen in der ungeschützten Haut innerhalb einer halben Stunde ca. 10 000 Einheiten Vitamin D. Längere Sonnenexposition führt nicht zu mehr Vitamin-D-Bildung.

  • Über diesen Zeitraum von 30 min – bei hellem Hauttyp kürzer, bei dunklem Hauttyp länger – darf und muss man auf Sonnenschutzmittel verzichten.

  • Untersuchungen in Deutschland zeigen: nur 25% der Bevölkerung erreichen die untere Grenze der Norm für 25(OH)-Vitamin D im Blut (75 nmol/l bzw. 30 ng/ml).

  • Bei Einnahme von Vitamin D sind keine unmittelbaren Wirkungen zu erwarten, denn Vitamin D entwickelt seine biologische Wirkung als Hormon erst durch Aktivierung in Leber, Niere und den Körpergeweben, es hat also keine unmittelbare Wirkung.

  • 25(OH)-Vitamin D ist das in der Leber aktivierte Vitamin D. Der nachweisbare Konzentrationsanstieg im Blut während der Sommermonate reicht bei den derzeitigen Lebensgewohnheiten in Deutschland nicht für eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung aus.

  • Zum nachhaltigen Ausgleich des Vitamin-D-Mangels in Deutschland beträgt der tägliche Bedarf an Vitamin D3 50 Einheiten (1,25 μg) pro Kilogramm Körpergewicht in jedem Lebensalter.

  • Den individuellen gewichtsbezogenen täglichen Vitamin-D-Bedarf kann man durch tägliche oder wöchentliche Einnahme geeigneter Präparate ganzjährig sicherstellen.

  • Die Einnahme von Vitamin D3 als Tablette bis 1 000 E/Tag für Kinder und 2 000 E/Tag für Erwachsene ist unbedenklich, Präparate in dieser Dosierung sind daher verschreibungsfrei und nicht apothekenpflichtig.

  • Dosierungen über 2 000 E/Tag bei Erwachsenen und 1 000 E/Tag bei Kindern bedürfen der ärztlichen Beratung und Kontrolle.

  • Hochdosisbehandlungen zur unmittelbaren Verbesserung des Infektionsschutzes oder bei extremem Vitamin-D-Mangel sind unter ärztlicher Kontrolle unbedenklich:

    • – täglich 20 000 E Vitamin D3 (Dekristol® 20 000 E) über 14 Tage

    • – anschließend 20 000 E/40 000 E Vitamin D3 pro Woche bei<80/>80 kg Körpergewicht

  • Vitamin D ist fettlöslich, die Einnahme in öliger Lösung daher besonders wirksam. Dafür stehen auch höher dosierte apothekenpflichtige Präparate zur Verfügung.

  • Natürliche Öle mit Vitamin-D-Zusatz sind für Kinder gut geeignet, aber auch bei Allergien gegen Tablettenträgersubstanzen und insbesondere bei besonderen Reinheitsansprüchen aus konfessionellen Gründen.

  • Der Ausgleich des Vitamin-D-Mangels durch geeignete fischreiche Ernährung ist theoretisch möglich, jedoch mit unangemessener Kalorienzufuhr verbunden und unverhältnismäßig teuer

Vitamin-D-Mangel ist in Deutschland in erster Linie bedingt durch die allgemeine Ahnungslosigkeit auf dem Boden des Versagens der dafür zuständigen Institutionen. Das führt in Deutschland leider auch dazu, dass die Empfehlungen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften und vieler Apotheken zur ausreichenden wirkungsvollen Dosierung zumeist nicht dem aktuellen Stand der wissenschaftlich gesicherten Kenntnis entsprechen. Von verantwortungsvollen, gut informierten Ärzten verordnete Dosierungen werden daher nicht selten angezweifelt und teilweise sogar abgelehnt.

Die Notwendigkeit dieser Empfehlung erwächst aus der heutigen Lebensführung, der damit verbundenen Ernährung und der Tatsache, dass man heute nicht mehr mit 50 Jahren stirbt, sondern bei Tatenlosigkeit die unangenehmen Folgen des Vitamin-D-Mangels erleben wird.