Suchttherapie 2011; 12 - S36_1
DOI: 10.1055/s-0031-1284630

Settingspezifische Einflussfaktoren auf Langzeitverläufe unbehandelter Kontrollgruppenprobanden bei alkoholbezogenen Frühinterventionsstudien

G Bischof 1, J Freyer-Adam 2, JM Grothues 3, S Reinhardt 4, U John 2, HJ Rumpf 1
  • 1Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universität Lübeck, Lübeck
  • 2Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald
  • 3AHG Klinik Schweriner See, Lübstorf
  • 4Carl-Friedrich Flemming Klinik, Schwerin

Hintergrund: Während die Wirksamkeit von Frühinterventionsmaßnahmen bei riskant alkoholkonsumierenden Patienten in der ambulanten medizinischen Basisversorgung gut belegt ist, sind die Befunde aus Krankenhausstudien uneinheitlich. Bislang wurde nicht untersucht, welchen Einfluss Aspekte des Settings auf den Verlauf von riskanten Trinkmustern nehmen. Methode: Vergleich von Allgemeinarztpatienten (AA; n=99) mit Patienten eines Allgemeinkrankenhauses (AK; n=173). Beide Stichproben wurden mittels systematischem Screening aller Patienten zwischen 18 und 64 Jahren gewonnen. Screening-Auffällige wurden in beiden Studien mittels des M-CIDI diagnostiziert und bei Erfüllung der Einschlusskriterien (riskanter Alkoholkonsum sensu BMA, Alkoholmissbrauch oder –abhängigkeit) um Studienteilnahme gebeten und randomisiert einer Studienbedingung zugewiesen. Die Kontrollgruppen erhielten eine Broschüre und wurden nach 12 Monaten für eine Katamnese kontaktiert. Die Teilnahmebereitschaft war im AK Setting deutlich erhöht. Ergebnisse: Die AK-Stichprobe war signifikant älter, wies einen niedrigeren Frauenanteil, eine niedrigere Schulbildung und eine höhere Änderungsmotivation zur baseline auf. Die Gruppen unterschieden sich nicht bzgl. der Verteilung alkoholbezogener Diagnosen oder ihres Rauchstatus. Zur 12-Monatskatamnese waren in der AK-Bedingung signifikant mehr Probanden abstinent bzw. wiesen ein Trinkmuster auf, welches unterhalb der Eingangskriterien lag (50.0% vs. 26.1%, p<0.001). In einer multivariaten Analyse ergab sich ein prädiktiver Anteil des Rekrutierungssettings auch nach Kontrolle auf Unterschiede zur baseline. Interpretation: Die Ergebnisse sprechen für eine erhöhte natürliche Veränderungsrate von problematischem Alkoholkonsum nach alkoholunspezifischer stationärer Behandlung, aus der sich die Schwierigkeiten des Nachweises von Frühinterventionseffekten in Krankenhausstudien ableiten lassen. Implikationen für Frühinterventionsstrategien werden diskutiert.