Suchttherapie 2011; 12 - PO25
DOI: 10.1055/s-0031-1284676

Beeinflusst die Migrationserfahrung das Erstkonsumalter bei Drogenabhängigen? – Eine Studie im Suchthilfeverbund Konstanz

M Odenwald 1, K Friedrich 1, S Knüppel 1, C Becker 1, R Rieker 1, W Höcker 2
  • 1Universität Konstanz, Fachbereich Psychologie, Konstanz
  • 2Zentrum für Psychiatrie Reichenau, Reichenau

Substanzkonsummuster von Einwanderern gleichen sich mit zunehmender Dauer des Aufenthaltes an die der Mehrheitsbevölkerung an. Inwieweit jedoch die Generationszugehörigkeit das Erstkonsumalter beeinflusst, wurde bislang noch nicht systematisch untersucht.

Einhundertsechzehn männliche Drogenabhängige nahmen an der Studie teil, 41 Deutsche, 48 selbst Zuwanderer und 27 Angehörige der zweiten Generation. Die individuelle Suchtlaufbahn wurde mittels des Addiction Severity Index (Europ ASI) retrospektiv erhoben. Die Nachfolgestaaten der UdSSR waren in 34 Fällen der Migrationshintergrund, die Türkei in 10, die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens in 8 und Italien in 7. Russischer Migrationshintergrund war bei Zugewanderten häufiger. Im Durchschnitt waren die Probanden 30,2 Jahre alt (SD 7,8) und hatten 9,9 Jahre Schulbildung (1,5). Zum Zeitpunkt des Interviews befanden sich 37 in Entzugs-, 79 in Rehabilitationsbehandlung. Polytoxikomaner Konsum stellte bei 36 das Hauptproblem dar, Opiate bei 46, THC bei 7. Es gab keine Gruppenunterschiede hinsichtlich dieser Variablen.

Deutsche begannen im Schnitt mit 16,8 Jahren (3,8) die Hauptdroge zu konsumieren, Zuwanderer mit 20,3 (5,3) und Angehörige der 2. Generation mit 18,4 (4,6; p > .001). Deutsche und Zuwanderer unterschieden sich voneinander (p=.002); die 2. Generation unterschied sich nicht von den beiden anderen Gruppen. Dieses Bild blieb gleich auch ohne Personen mit russischem Migrationshintergrund. Zuwanderer begannen durchschnittlich 6,8 Jahre (SD 7,2) nach der Migration mit dem Konsum der Hauptsubstanz, 10% bereits vor der Migration. Im Durchschnitt dauerte es 4,4 Jahre (4,8) bis zur ersten Suchttherapie, es gab hier keine Gruppenunterschiede.

Unsere Daten sprechen für unterschiedliche Suchtkarrieren bei Migranten der ersten und zweiten Generation. Mögliche Gründe für diesen Altersunterschied sind spezifische Stressoren und Akkulturationsprozesse.