ergopraxis 2011; 4(10): 8-9
DOI: 10.1055/s-0031-1292660
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07 October 2011 (online)

Psychische Störungen in Europa – Nur jeder Dritte erhält Hilfe

Das Wartezimmer einer Arztpraxis ist voll, aber nur jeder dritte wird ins Sprechzimmer des Arztes gerufen, zwei drittel gehen unver-richteter dinge wieder nach Hause. So könnte die Situation psychisch Erkrankter in Europa aussehen, überträgt man die Ergebnisse einer aktuellen Studie (european Neuropsycho-pharmacology 2011; 21: 655) auf ein konkretes Szenario. Prof. Dt Hans-ülrich wittchen vom Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Tu Dresden erhob mit einem internationalen Forscherteam europaweit Daten: Jeder dritte Europäer leide einmal im Jahr an einer klinisch bedeutsamen psychischen Störung. doch nur ein drittel der Erkrankten erhalte ärztliche Hilfe - und diese nicht nach dem Stand der Wissenschaft und oft erst mit jahrelanger Verzögerung.

Prof. Wittchen hält das für umso bedenklicher, da viele psychische Erkrankungen in jungen Jahren beginnen, das weitere Leben überschatten und zusätzliche gesundheitliche Komplikationen auslösen können. „das niedrige Problembewusstsein gekoppelt mit dem Unwissen über das wahre Ausmaß hinsichtlich Häufigkeit, Belastungen und Störungen in allen Gesellschaften und Schichten ist das zentrale Hindernis zur Bewältigung dieser Herausforderung.“

Wittchen und sein Team ermittelten die Häufigkeit psychischer Erkrankungen in den 27 Eü-Staaten sowie der Schweiz, Norwegen und island. 38,2 % aller Europäer, das sind 164,8 Millionen Menschen, leiden einmal im Jahr an einer psychischen Störung: Angststörungen (14 %), Schlafstörungen (7 %), unipolare Depressionen (6,9 %), psychosomatische Erkrankungen (6,3 %), Alkohol- und Drogenabhängigkeit (4 %), ADHS (5 % bei Kinder und Jugendlichen) und demenzen (1 % bei 60-65-Jährigen, 30 % bei über 85-Jährigen). die Geschlechterunterschiede sind ausgeprägt: Frauen leiden häufiger an depressionen, Migräne, Angstzuständen und posttraumatischen Belastungsstörungen. indes sind 70 % aller Suchtkranken Männer.

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