Zahnmedizin up2date 2012; 6(1): 19-31
DOI: 10.1055/s-0031-1298142
Implantologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Implantations- und Belastungszeitpunkt

Gerhard Wahl
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Publication Date:
27 March 2012 (online)

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Einleitung

Im Jahr 1969 postulierten Brånemark und Mitarbeiter für Implantate belastungsfreie Einheilzeiten von 3–4 Monaten im Unterkiefer und 4–6 Monaten im Oberkiefer bis zur prothetischen Versorgung. Diese Erkenntnisse aus implantologisch-wissenschaftlicher Pionierarbeit basierten auf tierexperimentellen und klinischen Studien. Sie gelten auch heute noch als Standard für Einheilzeiten, um eine gute knöcherne Verankerung der Implantate für ein Langzeitüberleben sicherzustellen [1]. In den zugrundeliegenden Studien waren die Implantate in einen ausgeheilten Knochen gesetzt worden. Für die Verankerung im Knochen prägte Brånemark den Begriff der Osseointegration; einige Jahre später wurde dieses Phänomen von Schröder als „funktionelle Ankylose“ bezeichnet [2]. Von Schulte und Mitarbeitern wurde dann 1978 diesen Begriffen noch das Phänomen des „funktionellen Erhalts“ zur Beschreibung der Langzeitstabilität hinzugefügt, das die Ausrichtung der trabekulären knöchernen Strukturen in Abhängigkeit von der Lasteinleitung des Implantats in den Knochen beschreibt [3].

Während die Phänomene der Osseointegration von Brånemark im Wesentlichen bei Implantaten beschrieben wurden, die gedeckt unter der Schleimhautdecke einheilten, zeigte Schröder eine gleiche Erfolgssicherheit auch bei der transgingivalen Einheilung ohne primäre Belastung auf. Schulte und Mitarbeiter belegten als Erste auch die erfolgreiche Implantateinheilung und Langzeitstabilität bei Implantationen in Extraktionsalveolen unmittelbar nach der Zahnentfernung mit einem wurzelförmigen Stufenzylinder aus Aluminiumoxid-Keramik, dem „Tübinger Sofortimplantat“ [3], [4].

Die Anlagerung von Knochensubstanz in der frühen Heilungsphase konnte durch Veränderung der Implantatoberflächen hinsichtlich Rauigkeit, Mikrostruktur und Hydrophilie optimiert werden, was heute eine wesentlich frühere Belastung der Implantate gestattet [5]–[7].

Merke: Eine frühzeitigere Belastbarkeit von Implantaten ist nicht gleichzusetzen mit einer schnelleren Knochenheilung. Vielmehr hat sie ihre Ursache nur in einem rein quantitativen Aspekt der Oberflächenverankerung mit einer frühzeitigeren und großflächigeren Knochenapposition.

Nach einer konventionellen belastungsfreien Einheilungszeit ist die erzielte Sekundärstabilität durch die knöchernen Heilungsprozesse bei allen rauen Oberflächen in etwa gleich. Jedoch bieten die heute optimierten Oberflächen den Vorteil, dass diese Sekundärstabilität frühzeitiger nutzbar ist [5]. Zur Sicherung des Langzeiterfolgs von Implantaten stellt sich die Frage, welchen Einfluss der Zeitpunkt der Implantation auf die Langzeitstabilität hat. Zur Verfügung steht ein weites Spektrum: von der Sofortimplantation unmittelbar nach einer Extraktion über das Implantieren in verschiedene Ausheilungsstadien bis hin zu Implantatsetzungen in den ausgeheilten Knochen nach mehreren Monaten oder Jahren. Neben dem Aspekt der knöchernen Aus- und Einheilung sind die Ausreifung von Epithel und subepithelialem Bindegewebe sowie der Zustand des Weichgewebes zum Zeitpunkt der Implantation von gleicher Bedeutung für den Langzeiterfolg von Implantaten, die auch den Strukturerhalt von Knochen und Weichgewebe unterstützen sollen.