Dtsch Med Wochenschr 2012; 137(12): 573
DOI: 10.1055/s-0031-1299028
Editorial | Editorial
Pneumologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Pneumologie in Deutschland: Von der Grundlagenforschung zur Patientenversorgung

Pneumology in Germany: from basic research to patient care
J. H. Ficker
1   Medizinische Klinik 3, Schwerpunkt Pneumologie, Allergologie, Schlafmedizin, Klinikum Nürnberg Nord
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Publication Date:
13 March 2012 (online)

Die von regelmäßig mehr als 3000 Teilnehmern besuchte Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) ist die bedeutendste pneumologische Fachtagung im deutschsprachigen Raum. Hier werden neue Ideen vorgestellt und alte Konzepte kritisch reevaluiert. Damit ist die Tagung sowohl für den wissenschaftlichen Nachwuchs als auch für den spezialisierten Forscher hoch attraktiv und bietet für den pneumologischen Einsteiger wie auch für den erfahrenen Pneumologen wertvolle praxisrelevante Weiterbildungsmöglichkeiten. Diesem umfassenden Anspruch unserer Tagung entspricht unser Motto „Papers and Patients“.

Bei der Programmerstellung habe ich zusammen mit den Sektionen und Arbeitsgemeinschaften versucht, einen großen Bogen zu spannen von der wissenschaftlichen Grundlagenforschung („Papers“) bis hin zu speziellen klinischen Herausforderungen wie z. B. Fragen der Lebensqualität unserer oft chronisch kranken Patienten, ethischen Aspekten des ärztlichen Handelns und den zunehmenden palliativmedizinischen Anforderungen („Patients“). Die verschiedenen Veranstaltungsformate sollen sowohl den molekularmedizinischen Spezialisten („Papers“), als auch den praktisch pneumologischen Generalisten („Patients“) ansprechen. Abgebildet wird das ganze Spektrum von der pädiatrischen bis zur geriatrischen Pneumologie, von der Basisfortbildung für den pneumologischen Nachwuchs bis hin zur herausfordernden Diskussion modernster Konzepte für den pneumologischen Spezialisten. Vor dem Hintergrund des Strukturwandels in der Medizin werden z.B. die Umsetzung der S3-Leitlinie „Lungenkrebs“ und die zertifizierten Lungenkrebszentren als neue onkologische Versorgungsstrukturen diskutiert. Und in einer immer internationaleren Medizin dürfen auch „grenzüberschreitende“ Veranstaltungen wie das gemeinsame Symposium der DGP und der European Respiratory Society (ERS) „Global trends and challenges in respiratory infection“ nicht fehlen.

Die Umsetzung von Grundlagenforschung in klinische Forschung und letztendlich in die praktische Routineanwendung am Patienten setzt grundlegend voraus, dass publizierte Daten in jeder Hinsicht korrekt sind, dass negative Ergebnisse in gleicher Weise wie positive der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass finanzielle und andere mögliche Einflüsse auf Autoren, Reviewer oder auch bei Experten, die an Leitlinien mitwirken, komplett offengelegt werden. Leider haben wir in den letzten Jahren in diesem Zusammenhang viel zu oft und viel zu schlimme Beispiele gewissenloser Manipulationen von Studienergebnissen bis hin zu Totalfälschungen einflussreicher Studien erlebt. Ein solches Fehlverhalten kann von der wissenschaftlichen Gemeinschaft in keinem Falle auch nur andeutungsweise toleriert werden. Manipulation oder gar Fälschung von Studiendaten rüttelt an den Grundfesten der Wissenschaftlichkeit und macht ein vertrauensvolles „Aufeinanderaufbauen“ in der Scientific Community unmöglich. Darüber hinaus diskreditiert derartiges Fehlverhalten uns alle als Ärzte und Wissenschaftler.

Wir müssen angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre innehalten und überlegen, ob in unserem Wissenschaftsbetrieb die Strukturen und Rahmenbedingungen noch stimmen. Wir müssen analysieren, was Einzelne zu derart krassem Fehlverhalten getrieben hat. Wir müssen strikteste Kontroll- und Sanktionsmechanismen auf- und ausbauen und gerade für den wissenschaftlichen Nachwuchs ein Umfeld schaffen, in dem kreatives, systematisches wissenschaftliches Arbeiten auch dann möglich ist, wenn ein hochbegabter, fleißiger und geschickter junger Wissenschaftler auch einmal „negative“ Ergebnisse produziert, Fortschritte in einem „kleinen Nebenfach“ generiert oder sonst wissenschaftlich aktiv ist, ohne „sensationelle“ Ergebnisse zu publizieren. Letztlich müssen wir uns auch wieder besinnen auf den Stellenwert klinischer Forschung, die in den aktuellen Strukturen der Wissenschaftsförderung und „Scientometrie“ im Vergleich zu Grundlagenforschung oftmals nachrangig und gelegentlich gerade zu abschätzig behandelt wird.

Auch in diesem Sinne soll unser Motto „Papers and Patients“ verstanden werden, und ich freue mich, dass es gerade auch in diesem Schwerpunktheft der DMW gelungen ist, Themen einzuschließen, bei denen die Entwicklung von der Grundlagenforschung bis hin zur alltäglichen Anwendung am Patienten bestens gelungen ist.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Freude und wissenschaftlich-klinischen Gewinn bei der Lektüre!

Ihr

Prof. Dr. med. Joachim H. Ficker