Zeitschrift für Palliativmedizin 2012; 13(01): 18
DOI: 10.1055/s-0031-1301129
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Persönliche Stellungnahme – Der freie Wille im Patientenverfügungsgesetz

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
12. Januar 2012 (online)

 

In seinem Urteil vom 25.6.2010 hat der 2. Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofes entschieden, dass der Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen in Übereinstimmung mit einem entsprechend geäußerten Patientenwillen ebenso straflos ist, wie das bloße Unterlassen solcher Maßnahmen (2StR 454/09). Der Senat hatte dabei das Patientenverfügungsgesetz (BGBI. IS. 2286; unter www.bgbl.de : 2009, Nr.48) zu prüfen und war – wie selbstverständlich – von der gesetzlichen Grundlage und der Postulierung des in gesunden Tagen geäußerten Patientenwillens ausgegangen.

Nach den Vorgaben des Gesetzes muss der Patient volljährig und einwilligungsfähig dein, um eine Patientenverfügung aufsetzen zu können. Einwilligungsfähig meint dabei den Zustand geistiger Gesundheit und Klarheit, in dem ein freier Wille entfaltet und geäußert werden kann. In diesem Zustand trifft der Patient Vorkehrungen für Phasen, in denen Entscheidungsfreiheit und geistige Gesundheit durch Krankheit eingeschränkt sind. Bei der Festlegung der entsprechenden Vorkehrungen steht dem Verfügenden ein umfassendes, verfassungsrechtlich gewährleistetes Selbstbestimmungsrecht zu, welches, laut Begründung zum Patientenverfügungsgesetz, sogar das "Recht zur Selbstgefährdung bis zur Selbstaufgabe und damit auch die Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen unabhängig von der ärztlichen Indikation der Behandlung" einschließt (vergl. BT-Drs.16/8442, S.8). Dieser Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen, sofern in der Verfügung bestimmt, ist seitens des Betreuers, der behandelnden Mediziner und des zuständigen Betreuungsgerichts, das die Genehmigung zu erteilen hat, zu entsprechen, wenn sie das angst- und schmerzfreie Weiterleben des Patienten ermöglichen soll – und zwar auch dann, wenn dadurch, je nach Art und Stadium der Krankheit, der Tod des Patienten früher eintreten könnte. Der Wunsch, angst- und schmerzfrei weiterzuleben, ist das entscheidende Kriterium.

In verschiedenen Gesprächen mit Ärzten, Krankenpflegern und Hospizbetreuern haben die Autoren festgestellt, dass selbst Jahre nach Inkrafttreten der neuen Regelungen die Dramatik des Paradigmenwechsels noch nicht verinnerlicht worden ist. Immer noch geistern die Argumente der "hedonistischen Kultur des Todes" durch Diskussionen und Artikel in Fachzeitschriften (vergl. nur Academia 4/2010, S. 289f.).

Dagegen müssen die in unserem freiheitlichen Rechtsstaat erlassenen Gesetze ernst genommen werden (s. o. Urteil BGHSt). Sollte wegen scheinbarer Unklarheiten z. B. von (erbberechtigten) Angehörigen oder von Ärzten das zuständige Vormundschaftsgericht angerufen werden, ist dieses, wenn nicht andere rechtliche Probleme entgegenstehen, grundsätzlich an die Entscheidung des Verfügenden gebunden (§ 1904 Abs. 3 BGB). In Verfügungen nach neuem Recht kann die alte Einzelaufzählung entfallen, wenn vor allem die Angst- und Schmerzfreiheit vorrangig ist.

RA Helmuth Hoffstetter
Christian Schiller
Kontakt:
www.h-hoffstetter.de