Zeitschrift für Palliativmedizin 2012; 13(01): 22
DOI: 10.1055/s-0031-1301131
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Buchbesprechung

Contributor(s):
Hanna Ludwig
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Publication Date:
12 January 2012 (online)

 
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Manche Schüler machen nach dem Abitur "etwas mit Medien", nicht aber Florentine Degen: Sie geht in ein Hospiz und arbeitet als freiwillige Helferin im sozialen Jahr.

Mit wachem Blick beobachtet sie Pflegekräfte und Patienten genau. Weil sie schon immer geschrieben hat, führt sie auch nun ein Tagebuch und fasst ihre Erlebnisse und Gedanken am Ende des Jahres als Buch zusammen. In kurzen Kapiteln geht es durch den Hospizalltag, dazwischen sind immer wieder Aufsätze über Themen wie "Wir sind nicht von Natur aus alt" oder "Männer" eingestreut.

Für Erfahrene aus der Palliativmedizin gibt der offene Blick der Autorin, ihre Gedanken beim ersten direkten Pflegekontakt und ihr Umgang mit den Kranken die Möglichkeit innezuhalten, nachzudenken und Fragen zuzulassen, z. B.: Wie normal ist es, einem fremden Mann den Intimbereich zu waschen? Wie sehr darf ich erschrecken, wenn ich eine tiefe Wunde sehe und wie nahe sollte ich einen Kranken an mich heranlassen? In der täglichen Arbeit begegnen der Autorin alle Pflegeprobleme, die das Leben schwer machen, und sie beschreibt sie offen. Ihr Umgang mit Verwirrten, sexuelle Annäherungen, Gerüchen, fremder und eigener Angst ist erfrischend.

Das Thema Windeln führt zum Selbstversuch, das Abschiednehmen bleibt ihr offenbar meist selbst überlassen. Mit ihren Tränen kann sie gut umgehen, und auch nach mehr Erfahrung will sie trotzdem noch betroffen sein dürfen. Bei aller Betroffenheit merkt sie aber ihre eigenen Grenzen, wenn sie in der Pflege nur noch genervt ist durch die Eigenheiten des Kranken.

Frau Degen hat dank ihrer Fähigkeit zum Selbstschutz das Jahr im Hospiz gut überstanden.

Durch ihr Buch können wir lernen, unsere Tätigkeit wieder mit unbefangenen Augen zu sehen und normale Reaktionen auch wieder als normal anzuerkennen.

Hanna Ludwig, Remscheid