Der Nuklearmediziner 2012; 35(01): 10-11
DOI: 10.1055/s-0031-1301355
Editorial
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B. Lang
1   Ärztliche Stelle Nuklearmedizin Bayern
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Publication Date:
15 March 2012 (online)

Will man den Sinn und Zweck von Leitlinien aus Sicht der Ärztlichen Stellen hinterfragen, wie dies dem Autor aufgegeben wurde, so gilt es sich zum einen ein Bild darüber zu machen, wie es zur Bildung solcher Leitlinien kommt, zum anderen aber muss man sich auch fragen, inwieweit Leitlinien mit der Aufgabenstellung einer Ärztlichen Stelle vereinbar sind. Dies ist umso mehr von Bedeutung, als in der Richtlinie für ärztliche und zahnärztliche Stellen zur Strahlenschutzverordnung bei den Beurteilungsgrundlagen zur Prüftätigkeit der Ärztlichen Stellen auch die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen Fachgesellschaften (AWMF) und der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN) aufgeführt werden.

Leitlinien sind das Spiegelbild unzähliger wissenschaftlicher Publikationen sowie jahrelanger Bemühungen um die Optimierung einer Untersuchungsmethode, die letztlich in Konsensuskonferenzen zusammenfassend erarbeitet werden. Nicht ohne Grund sind sie daher auch Grundlage der von der bayerischen Aufsichtsbehörde entsprechend der Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin geforderten Qualitätssicherung auf hohem Niveau durch die Ärztliche Stelle Nuklearmedizin in Bayern. Übergeordnet sind allerdings gesetzliche Vorgaben, die sich aus der StrlSchV und der Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin 2011 mit ihren Anlagen ergeben. Dementsprechend sind Richtlinien verbindliche Handlungsregelungen, deren Nichtbeachtung Sanktionen nach sich ziehen können. Leitlinien hingegen sind standardisierte Empfehlungen zum Vorgehen bei Diagnostik und Therapie von Erkrankungen, die naturgemäß angesichts des raschen wissenschaftlichen und technischen Fortschritts, wie auch der Vorgabe von Richtlinien, einem steten Wandel unterworfen sind und letztlich auch Freiraum für die Berücksichtigung individueller Gegebenheiten bei Patienten lassen müssen. In Konsequenz hierzu hat die DGN auch eine Vorbehaltserklärung herausgegeben.

Der Ärztlichen Stelle Nuklearmedizin ist es somit aufgegeben, zum einen darauf zu achten, dass sich Diagnostik und Therapie an den Leitlinien der AWMF und der DGN orientieren, und zum anderen zu überwachen, ob die Bestimmungen von Strahlenschutzverordnung und Richtlinie Medizin eingehalten werden. Beispielhaft sei darauf verwiesen, dass sowohl die Leitlinie der DGE wie auch die der DGN klare Vorgaben zur Feinnadelpunktion zur Klärung der Dignität knotiger Degenerationen der Schilddrüse machen, die es zu beachten gilt, was nach unserer Erfahrung jedoch immer wieder vernachlässigt wird. Problematisch wird es für die Ärztliche Stelle allerdings, wenn Leitlinien in ihren Empfehlungen nicht dem gesetzlich vorgegebenen Minimierungsgebot zur Strahlenexposition des Patienten entsprechen, da der Ärztlichen Stelle hier keinerlei Entscheidungsspielraum gegeben ist. Stellvertretend für manche andere Bereiche sei hier die ältere Leitlinie zur Nierenfunktionsdiagnostik zitiert, der zu entnehmen ist, dass bei dieser Untersuchung eine Aktivität von 185–200 MBq Tc-99m-MAG 3 zum Einsatz kommen könne, während durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ein verbindlicher Diagnostischer Referenzwert (DRW) von 100 MBq vorgeschrieben wird.

Strahlenschutzverordnung wie auch Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin legen fest, dass jegliche unnötige Strahlenexposition des Patienten zu vermeiden und zu prüfen ist, ob bei einer Anwendung am Menschen der gesundheitliche Nutzen das Strahlenrisiko überwiegt. Als Ziel einer nuklearmedizinischen Untersuchung muss hierbei ein Höchstmaß an diagnostischer Treffsicherheit bei einem Minimum an Strahlenexposition erreicht werden. Der Weg hierzu beginnt bereits mit der Stellung der rechtfertigenden Indikation an Hand von Leitlinien durch den fachkundigen Arzt. Eine einwandfreie, leitliniengerechte technische Durchführung einer Untersuchung sowie die korrekte Interpretation der Untersuchungsergebnisse sind weitere vom Gesetzgeber vorgegebene Aspekte zur Rechtfertigung einer Strahlenexposition. Den wissenschaftlichen Gesellschaften bleibt somit die Aufgabe, in ihren Leitlinien Wege zu finden, wie durch entsprechende Untersuchungsprotokolle das zitierte Höchstmaß an diagnostischer Treffsicherheit bei Vermeidung unnötiger Untersuchungswege und einer weitgehenden Minimierung der Strahlenexposition des Patienten erreicht werden kann.