Diabetes aktuell 2011; 9(8): 363-368
DOI: 10.1055/s-0032-1301748
Schwerpunkt
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Diabetes mellitus in der stationären Versorgung von Patienten mit Migrationshintergrund – Besonderheiten bei diesen Patienten

Diabetes Mellitus in the Inpatient Management of Patients with a Migration Background – Special Features of these Patients
Elisabeth Wesselman
1   Fachreferat für Interkulturelle Versorgung
,
Bodo Gutt
2   Abteilung für Endokrinologie, Diabetologie, Suchtmedizin, Nuklearmedizin, Klinikum München GmbH; Klinikum Schwabing; München
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Publication Date:
12 January 2012 (online)

In Deutschland leben mehr als 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Vor allem ältere Migranten treffen im Gesundheitswesen auf informationsbedingte, kulturelle und kommunikative Barrieren, die zu Problemen von Unter-, Über- und Fehlversorgung führen. Um eine adäquate medizinische Versorgung für diese Patientengruppe zu ermöglichen, wurden die anonymisierten Patientendaten des Klinikinformationssystems (SAP-ISH) am Städtischen Klinikum München (StKM) retrospektiv für das Kollektiv der Patienten mit Diabetes mellitus (DM) ausgewertet. Von 2007 bis 2009 hat das StKM an 5 Standorten insgesamt über 515 000 Patienten versorgt, davon 51 329 (9,97 %) nichtdeutscher Nationalität. 9420 Patienten wurden mit der Hauptdiagnose DM behandelt, 1016 von diesen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit. Der Anteil Nichtdeutscher stieg im Beobachtungszeitraum kontinuierlich von 8,7 auf 12,5 % an. Die am häufigsten dokumentierten nichtdeutschen Nationalitäten der Patienten mit der Hauptdiagnose DM waren dabei türkisch (34,2 %), ex-jugoslawisch (22,4 %) und griechisch (6,8 %). 26,8 % der 8407 deutschen Patienten wurden wegen einer Typ-1-Erkrankung behandelt, 68,8 % wegen einer Typ-2-Erkrankung. Die Kohorte der nichtdeutschen Patienten unterschied sich dabei nicht signifikant von der deutschen Kohorte (27,3 und 69,2 %). Allerdings fiel in den Subgruppen der türkischen und griechischen Patienten ein vermehrtes Auftreten von Typ-2-Erkrankungen auf (81,8 und 79,7 %). Während sich deutsche Patienten mit der Hauptdiagnose DM im Mittel mit 59,1 Jahren stationär vorstellten, wurden nichtdeutsche Patienten 7,8 Jahre früher mit einem mittleren Alter von 51,3 Jahren stationär aufgenommen. Die Daten von 1016 Patienten nichtdeutscher Nationalität aus München und Umgebung zeigen, dass diese Patientenklientel absolut wie relativ zunimmt sowie jünger hospitalisiert wird. Diese bedeutsame Personengruppe muss in der klinischen Forschung eine besondere Berücksichtigung erfahren, um migrationsspezifische Versorgungsprobleme aufdecken zu können.

In Germany there are more than 15 million people with a migration background. Older immigrants in particular are confronted with information-related, cultural on communication barriers that can lead to the problems of under- or over management or even the wrong management. In order to enable an adequate medical care for this patient group the anonymized patient data of the clinic information system (SAP-ISH) at the Städtischen Klinikum München (StKM) were retrospectively evaluated for patients with diabetes mellitus (DM). From 2007 to 2009 the StKM treated a total of over 515,000 patients at 5 locations, of these 51,329 (9.97 %) were of non-German nationalities. 9420 patients were treated for the main diagnosis DM, 1016 of these were of non-German nationalities. The proportion of non-Germany increased continuously in the observation period from 8.7 % to 12.5 %. The most frequently documented non-German nationalities of patients with the primary diagnosis DM were Turkish (34.2 %), former Yugoslavian (22.4 %) und Greek (6.8 %). 26.8 % of the 8407 German patients were treated for type 1 disease, 68.8 % for type 2 disease. The cohort of non-German patients did not differ significantly from the German cohort in this respect (27.3% und 69.2%). However, in the subgroup of Turkish and Greek patients an increased occurrence of type 2 disease was apparent (81.8 und 79.7%). Whereas the German patients presented with the primary diagnosis DM at an average age of 59.1 years, the non-German patients presented for hospitalization 7.8 years earlier with an average age of 51.3 years. The data of 1016 patients of non-German nationalities from Munich and surroundings show that these patient groups both absolutely and relatively are increasing in size and are admitted to hospital at younger ages. This significant group of people should receive particular attention in clinical research in order to be able to uncover migration-specific health-care problems.

 
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