Der Klinikarzt 2012; 41(S 01): 3
DOI: 10.1055/s-0032-1312454
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Neue orale Antikoagulantien – eine Standortbestimmung

Matthias Leschke
,
Johannes Brachmann
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Publication Date:
13 April 2012 (online)

Die Kardiologie ist eine dynamische Disziplin. Nicht nur wir Kardiologen müssen uns mit neuen Entwicklungen auseinandersetzen. Vor einem halben Jahr haben wir ein Supplementheft des klinikarzt zum Thema ”Vorhofflimmern“ herausgebracht. Im ersten Supplement 2012 stehen die neuen oralen Antikoagulantien (NOAK) im Fokus. Kannten Sie diese nüchterne Abkürzung NOAK, bzw. wussten Sie, was sich dahinter verbirgt?

Mit den neuen Studiendaten und dem aktuellen Stand der Zulassung wollen wir eine Standortbestimmung vornehmen. Bisher basierte die Langzeit-Antikoagulation bei der Prävention und Behandlung venöser und arterieller thromboembolischer Erkrankungen im Wesentlichen auf der oralen Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten. Aktuelle Daten aus prospektiven Studien und Registern belegen aber, dass häufig Patienten mit Vorhofflimmern und einem hohen Risiko für eine systemische Embolie nicht adäquat antikoaguliert werden. Und häufig führt die Furcht vor Blutungskomplikationen bei älteren und sturzgefährdeten Patienten – siehe auch den Beitrag von U. Zeymer – zu der Entscheidung, eine an sich indizierte Therapie mit den klassischen Vitamin-K-Antagonisten den Patienten vorzuenthalten.

Nun sind die ersten beiden neuen direkten, oral verfügbaren Antikoagulantien zugelassen, die spezifisch den Faktor Xa bzw. Thrombin hemmen. Die aktuelle Studienlage der 3 Substanzen Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban wird von Martin Moser und Christoph Bode beleuchtet. Für diese Substanzen besteht ein überzeugendes Nutzen-/Risikoprofil. Für die klinische Praxis ist zukünftig die Frage bedeutsam, welche Patientenpopulationen mit Vorhofflimmern besonders von den neuen Antikoagulantien profitieren. Eine Therapie mit den neuen Substanzen setzt die Kenntnis ihrer pharmakologischen Kenndaten insbesondere bei ihrer Anwendung bei Niereninsuffizienz und Leberinsuffizienz sowie bei älteren Patienten voraus. Die Pharmakologie der NOAK und ihre wichtigsten Arzneimittelinteraktionen werden in dem pharmakologischen Beitrag von Reinhold Kreutz aufgezeichnet. Auf die speziellen Aspekte der Antikoagulation bei älteren Patienten gehen Johannes Brachmann, Barbara Blüm und Norbert Smetak ein. Dieses Thema ist in der Praxis besonders relevant.

Die Schlaganfallprävention aus neurologischer Sicht wird von Jan C. Purrucker und Roland Veltkamp dargestellt, wobei aus neurologischer Sicht der Aspekt einer geringeren Rate intrakranieller Blutungen unter den neuen Antikoagulantien besonders hervorgehoben wird. Die gängigen Gerinnungstests (Prothrombinzeit, partielle Thromboplastinzeit) erfassen die Wirksamkeit der Gerinnungsbeeinflussung durch die neuen oralen Antikoagulantien nur unzureichend. Spezifische Tests stehen derzeit nur begrenzt zur Verfügung. Deshalb gehen Hartwig Sauer, Herwif Wankmüller und Matthias Leschke auf die wichtigen Aspekte zum Bridging und Blutungsmanagement, sowie auf Fragen des Labormonitoring ein. Welchen Stellenwert bisher und zukünftig die klassische Antikoagulation mit den Vitamin-K-Antagonisten aufweist, die ein Labormonitoring gestatten und dadurch Aspekte wie Compliance, Steuerung der Therapie insbesondere bei Über- und Unterdosierung, aber auch bei Blutungen erlauben, diskutieren Dieter Horstkotte, Detlef Hering, Wolfgang Prohaska und Cornelia Piper. Mit Rivaroxaban steht erstmals ein neuartiges Therapieregime für die Behandlung der tiefen Beinvenenthrombose zur Verfügung. Auf diese Aspekte geht Sebastian Schellong ein.

Wir haben zu den verschiedenen Facetten der Antikoagulationstherapie mit den neuen Substanzen kompetente Experten gewonnen, die mit ihren Beiträgen eine aktuelle Zwischenbilanz über die neuen oralen Antikoagulantien vornehmen. Es handelt sich dabei um ein faszinierendes neues Behandlungskonzept, wobei viele Fragen noch zu klären sind, z. B. wie die Compliance überprüft werden kann, insbesondere wie zukünftig validierte Notfallstrategien bei Blutungen aussehen, aber auch wie eine künftige Differentialtherapie der Antikoagulantien aussehen könnte. Die Akzeptanz der neuen Antikoagulantien wird aber auch von ihrer Preisgestaltung abhängen. Wir sind auf diese zukünftigen Entwicklungen sehr gespannt.

Bei dieser Gelegenheit wollen wir allen Mitautoren für die Fertigstellung dieses Supplementbandes einen herzlichen Dank sagen. Wir haben von der Idee bis zur Realisierung weniger als 3 Monate benötigt. Selbst in der Schnelllebigkeit medizinischer Entwicklungen ist dies enorm. Dafür danken wir dem Thieme Verlag, der verantwortlichen Redaktion und allen Mitautoren, aber auch Ihnen als Leser für die Lektüre dieser Beiträge, die Sie hoffentlich als eine Bereicherung empfinden und auf Ihre positive Resonanz treffen wird.

Ihre

Prof. Dr.med. Matthias Leschke

Prof. Dr. med. Johannes Brachmann