Rofo 2012; 184(12): 1161
DOI: 10.1055/s-0032-1312962
Der interessante Fall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Was hat die Gallenblase unter dem Zwerchfell verloren?

F. Schellhammer
,
J. Balosu
,
K. Jüngst
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Publication History

17 April 2012

23 May 2012

Publication Date:
28 June 2012 (online)

Ein 39-jähriger Patient stellte sich mit unklaren Schmerzen in der rechten Leistengegend vor. In der computertomografischen Abklärung (Asteion 4, Toshiba, J) fand sich eine subchondrale Fraktur des rechten Femurkopfes als bildmorphologisches Korrelat für die Symptomatik. Nebenbefundlich bestand eine Hypoplasie des linken Leberlappens mit ektoper Lage der Gallenblase subdiaphragmal, linksseitig des Lig. falciforme ([Abb. 1]). Der Ductus hepatocholeodochus war auf 9 mm erweitert. Eine intrahepatische Cholestase bestand nicht. Die Laborparameter waren sämtlich im Normbereich.

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Abb. 1 Kontrastmittelverstärkte Computertomografie des Abdomens in axialer Schichtführung a sowie sagittaler b und parakoronarer Reformation c, d. Es zeigt sich eine subdiaphragmale Lage der Gallenblase (GB) bei Hypoplasie des linken Leberlappens (geschlossener Pfeil) und eine Ektasie des Ductus hepatocholeodochus (offener Pfeil).

Als linksseitige Gallenblase wird eine Lage der Gallenblase unterhalb des linken Leberlappens bzw. linksseitig des Lig. teres hepatis bezeichnet. Die Inzidenz wird auf 0,1 – 0,7 % geschätzt. Ursächlich sind 3 anatomische Varianten: 1. das rechtsseitige Lig. teres hepatis, 2. eine ektope Gallenblase und 3. ein situs inversus. Kommt es in der embryonalen Entwicklung zur atypischen Einmündung der Vena umbilicalis in den rechten Pfortaderast, verläuft das Lig. teres hepatis rechtsseitig. Die Gallenblase ist zwar meist regelrecht lokalisiert, ihre Position zum Lig. teres hepatis macht sie aber definitionsgemäß zur linksseitigen Gallenblase (Nagai M et al. Ann Surg 1997; 225: 274 – 280). Anlagebedingte, ektope bzw. aberante Gallenblasen finden sich linksseitig des Lig. teres hepatis, intrahepatisch, retrohepatisch, retroperitoneal, suprahepatisch und supradiaphragmal (Dhulkotia A et al. HPB 2002; 4: 39 – 42). In unserem Fall handelte es sich um den seltenen Fall einer angeborenen Hypoplasie des linken Leberlappens mit nach kranial umgeklappter Gallenblase bei ansonsten regelrechter, billiärer Anatomie (Noritomi T et al. Int Surg 2004; 89: 1 – 5). Entsprechende Veränderungen wurden auch im Zusammenhang mit einer Hypoplasie des rechten Leberlappens beschrieben (Hsu KL et al. J Formos Med Assoc 1994; 93: 320 – 323).

Linksseitige Gallenblasen verursachen per se keine Symptome. Da sie mit anatomischen Varianten assoziiert sein können, spielen sie für die hepatobiliäre Chirurgie jedoch eine große Rolle. Darüber hinaus können ektope Gallenblasen zu Fehlinterpretationen insbesondere in der nuklearmedizinischen Diagnostik führen (Agarwal V et al. Indian J Nucl Med 2001; 26: 120 – 122).