Zeitschrift für Phytotherapie 2012; 33 - P11
DOI: 10.1055/s-0032-1313251

Ein Plädoyer für kontrollierte, nicht-randomisierte Studien

W Gaus 1, R Muche 1
  • 1Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Biometrie, Schwabstr. 13, 89070 Ulm, Deutschland

Kontrollierte randomisierte Studien gelten als das non-plus-ultra Design. Zweifellos haben sie eine hohe Aussagekraft. Es gibt aber Fragestellungen und Situationen, in denen eine zwar kontrollierte, aber nicht-randomisierte Studie zweckmäßiger ist. Gründe:

  • Für die Aussagekraft einer Studie ist eine Vergleichsgruppe am wichtigsten. An zweiter Stelle steht die Steuerung der Studie (controlled study), die Randomisation steht für die Aussagekraft erst an dritter Stelle. Das Regelwerk der Good Clinical Practice gilt für kontrollierte Studien, gleichgültig ob randomisiert oder nicht.

  • Die 1948 von Bradford Hill eingeführte Randomisation ist eine überzeugende Idee. Aber seit dieser Zeit haben sich unser ethisches Verständnis, die juristischen Gegebenheiten und die Stellung des Patienten völlig geändert. Der heutige, selbstbestimmende Patient wird durch die Information über Randomisation und Maskierung der Therapie verunsichert. Dies modifiziert unspezifische und teilweise auch spezifische Therapieeffekte.

  • Randomisierte Studien haben eine selektierte Patientenschaft. Das beeinträchtigt die Verallgemeinerungsfähigkeit der Ergebnisse.

  • Interne und externe Validität sind Antagonisten. Die interne Validität (Vergleichbarkeit der Gruppen) ist bei einer randomisierten Studie meist gut, aber die externe Validität (Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Gegebenheiten der täglichen Praxis) ist bei nicht-randomisierten Studien meist besser.

  • Die Patienten einer nicht-randomisierten Studie fühlen sich nicht als »Versuchskaninchen«, das verbessert die Compliance und führt zu weniger Protokollverletzungen.

  • Randomisierte Studien haben Laborcharakter, kontrollierte nicht-randomisierte Studien haben mehr Praxisbezug.

Fazit: Beide Studiendesigns haben ihre Berechtigung. Kontrollierte nicht-randomisierte Studien sind nicht zweitrangig, sondern von anderer Art. Je nach Fragestellung und Gegebenheiten hat eine Studie mit dem einen oder dem anderen Design eine höhere Aussagekraft.

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