Zeitschrift für Phytotherapie 2012; 33 - P19
DOI: 10.1055/s-0032-1313259

Der Ames-Test als valide Methode für die Bewertung der Gentoxizität von Phytopharmaka

O Kelber 1, 2, B Steinhoff 1, 3, K Kraft 1, 4
  • 1Arbeitsgruppe Wirksamkeit und Sicherheit, Kooperation Phytopharmaka GbR, Plittersdorfer Str. 218, 53173 Bonn, Deutschland
  • 2Wissenschaftliche Abteilung, Steigerwald Arzneimittelwerk GmbH, Havelstr. 5, 64295 Darmstadt, Deutschland
  • 3Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V., Ubierstr. 71–73, 53173 Bonn, Deutschland
  • 4Lehrstuhl für Naturheilkunde, Lehrstuhl für Naturheilkunde, Zentrum für Innere Medizin, Universität Rostock, Ernst-Heydemann-Str. 6, 18057 Rostock, Deutschland

Der im Jahr 1975 von Bruce Ames, Berkeley, beschriebene bakterielle Rückmutationstest [1] ist heute einer der wichtigsten Gentoxizitätstests nicht nur für Chemikalien und chemisch definierte Arzneistoffe, sondern auch für Phytopharmaka. In einem Screeningprojekt wurde eine große Anzahl von arzneilichen Zubereitungen aus insgesamt 30 unterschiedlichen Heilpflanzen getestet und so die Nutzbarkeit der Methode auch für aus einer Vielzahl pflanzlicher Inhaltsstoffe zusammengesetzte Matrices gezeigt [2]. Voraussetzung für eine Bewertung des gentoxischen Risikos für den Menschen auf Basis dieser Testergebnisse ist, dass kein von diesen Inhaltsstoffen ausgehendes gentoxisches Potenzial unentdeckt bleibt. Als ein pflanzlicher Inhaltsstoff, der in Säugerzellen ein aneugenes Potenzial gezeigt hat, im Ames-Test hingegen nicht detektiert wird, ist Taxol bekannt [3]. Allerdings hat es sich nicht als Karzinogen erwiesen, zudem sind keine weiteren Substanzen mit vergleichbarem Wirkmechanismus in Heilpflanzen bekannt geworden, weshalb dies die Eignung des Ames-Tests nicht in Frage stellt. Die Phenylpropane, die im Ames-Test negativ sind, haben sich in hohen Dosen aufgrund metabolischer Aktivierung als gentoxisch erwiesen, doch diese Aktivierung ist in den niedrigeren klinisch angewendeten Dosen von geringer Relevanz [4]. Ein pflanzliches Glykosid, Cycasin, ließ sich im Ames-Test aufgrund der geringen Glykosidaseaktivität des S9-Mixes nicht detektieren [5]. Doch da die meisten pflanzlichen Zubereitungen neben den Glykosiden auch die zugehörigen Aglyka enthalten, hat sich bisher kein weiteres solches Beispiel gefunden. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Gentoxizität von Phytopharmaka im Ames-Test unentdeckt bleibt, gering und dürfte nicht höher sein als bei chemisch definierten Präparaten. Diese Schlussfolgerung steht im Einklang mit der wichtigen Rolle, die der Ames-Test in der Leitlinie für die Bewertung der Gentoxizität von Phytopharmaka der europäischen Zulassungsbehörde EMA (EMA/HMPC/67644/2009 [6]) spielt.

Widmung: Dieser Beitrag ist Frau Prof. Dr. Hilke Winterhoff († 9. Mai 2010) als ehemaliger Vizepräsidentin der Gesellschaft für Phytotherapie und Leiterin der Arbeitsgruppe Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Kooperation Phytopharmaka gewidmet, die exemplarische Beiträge zur Erforschung der Pharmakologie und Toxikologie der Phytopharmaka geleistet hat und auch an den vorliegenden Untersuchungen maßgeblich beteiligt war.

Literatur: [1] Ames BN et al. Mutation Res 1975; 31: 347–364

[2] Kelber O et al. Phytomedicine 2012; 19: 472–476

[3] Wani MC et al. J Am Chem Soc 1971; 93: 2325–2327

[4] Jeurissen SM et al.; Food Chem Toxicol 2008; 46: 2296–2302

[5] Matsushima T et al. Cancer Res 1979; 39: 3780–3782

[6] Guideline on the Assessment of Genotoxicity of Herbal Substances/Preparations. EMA/HMPC/107079/2007