Zeitschrift für Phytotherapie 2012; 33(2): 51
DOI: 10.1055/s-0032-1313911
Editorial
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Phytotherapie in der Lehre

Karin Kraft

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Publication Date:
03 May 2012 (online)

Erstmalig in der Geschichte der Gesellschaft für Phytotherapie stand das Thema »Lehre« bei unserem Symposium zum 40-jährigen Bestehen im Oktober 2011 im Mittelpunkt. Die verschiedenen Beiträge des vorliegenden Heftes widmen sich den verschiedenen Aspekten von der Schule über die Hochschule bis hin zur beruflichen Fort- und Weiterbildung und beziehen auch die Situation in Österreich und in der Schweiz mit ein. Die Vorträge haben dem Vorstand der GPT verschiedene Anregungen zur Weiterentwicklung der Phytotherapie gegeben.

Ich habe mich während des Symposiums daran erinnert, wie ich die Lehre über Phytotherapie in meinem eigenen Medizinstudium wahrgenommen habe. Tatsächlich habe ich das einzige Mal etwas darüber in der Pharmakologievorlesung im Jahr 1977 gehört. Die Aussage des Professors lautete ungefähr: »Mit Phytotherapie brauchen Sie sich nicht zu befassen. Sie ist schon deshalb unwirksam, weil es Substanzgemische mit niedrigen Dosierungen von Einzelkomponenten sind. Es handelt sich um eine veraltete Form der Medizin, sie wird bald vom Markt genommen werden.«

In den vergangenen 34 Jahren sind tatsächlich viele Phytopharmaka im Nachzulassungsprozess gescheitert. Ebenso wurden aber auch viele chemisch definierte Arzneimittel aus verschiedenen Gründen aus dem Verkehr gezogen. In den90er-Jahren kamen dann die evidenzbasierte Medizin und, im Zusammenhang damit, die ICD-Klassifikationen auf, die zu einer weiteren Veränderung des Arzneimittelspektrums führten. Dennoch haben etliche Phytopharmaka diese Prozesse überstanden und sind hinsichtlich Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gut belegt. Leider hat die fehlende Erstattungsfähigkeit durch die gesetzliche Krankenversicherung seit 2004 dazu geführt, dass die Ärzte mit Phytopharmaka heutzutage oft nicht viel anfangen können, weil sie sie nicht mehr kennen. Zum Glück können die Patienten aber in den Apotheken qualifiziert beraten werden.

Dies war vor 20 Jahren bekanntlich anders. 1993 konnten nämlich aufgrund einer Änderung der deutschen Approbationsordnung für Ärzte erstmalig Lehrveranstaltungen zu Naturheilverfahren an medizinischen Fakultäten abgehalten werden. Damit konnte auch Phytotherapie unterrichtet werden. Wie ich mich gerne erinnere, war das Interesse der Medizinstudenten trotz ungünstiger Termine für die Vorlesungen - zumeist in den späten Nachmittagsstunden - Ende der 90er-Jahre recht groß.

2002 wurden die Naturheilverfahren Teil des Querschnittsbereichs 12 (Rehabilitation, Physikalische Medizin und Naturheilverfahren) und damit scheinpflichtiges Pflichtfach im Medizinstudium. Das ist übrigens ein großer Verdienst von Prof. Dr. mult. Fritz Kemper. Leider waren 2002 kaum Hochschullehrer vorhanden, die eine qualifizierte Lehre speziell in Naturheilverfahren an deutschen Universitäten hätten abhalten können. Dieser Zustand hat sich durch die Etablierung mehrerer Stiftungsprofessuren inzwischen etwas verbessert. Da aber das Fach Naturheilverfahren ein breites Spektrum aufweist, kommt die Phytotherapie an vielen Orten zu kurz.

Die geringe Repräsentanz der Lehre in der Phytotherapie an den medizinischen Fakultäten und die nahezu fehlende Erstattungsfähigkeit finden ihren Niederschlag bei unseren Mitgliedern: Unserer wissenschaftlichen Gesellschaft gehören gegenwärtig nur verhältnismäßig wenige aktive Ärzte an. Dies ist bei der Schweizer (SMGP) bzw. Österreichischen Gesellschaft (ÖGPhyt) ganz anders, wie wir bei den Vorträgen vernommen haben.

Es war dringend erforderlich, sich mit dieser Problematik zu befassen, um Strategien zu ihrer Bewältigung entwickeln zu können. Nur eine qualifizierte Lehre schafft bei jungen Menschen Interesse an der Forschung und ermöglicht der nachwachsenden Ärztegeneration, sich mit der Phytotherapie differenziert befassen zu können. Dies ist auch im Sinne der Patienten.

Ich würde mich freuen, Sie in Wien zu unserem gemeinsamen Kongress begrüßen zu können!