manuelletherapie 2012; 16(02): 100
DOI: 10.1055/s-0032-1314430
Buchbesprechung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Buchtipp

Lehrbuch der Manuellen MedizinRezensent(en):
C Beyerlein
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
23. Mai 2012 (online)

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Für diejenigen, die sich dafür interessieren, was Ärzte in der Weiterbildung zur Manuellen Medizin lernen und warum sich bestimmte Behandlungsverfahren, die jeglicher evidenzbasierter Grundlage entbehren, über Jahrzehnte hinweg halten, mag dieses Buch interessant sein. Physiotherapeuten und Manualtherapeuten, die up to date bleiben wollen, sei der Kauf allerdings nicht empfohlen. Vielleicht sind Physiotherapeuten aber auch nicht die primären Adressaten. Als Standardwerk für manualmedizinisch arbeitende Ärzte präsentiert sich das Buch auf 386 Seiten und 20 Kapiteln.

In Kapitel 2 wird z. B. die Geschichte der Manuellen Medizin dargestellt. Bedeutende Manualtherapeuten der jüngeren Vergangenheit wie Cyriax, Maitland, Kaltenborn-Evjenth, McKenzie finden in diesem Buch überhaupt keine Erwähnung. Warum? Wurden Sie einfach nur vergessen, oder schlichtweg ignoriert? Diese Manualtherapeuten haben die Arbeit des klinisch tätigen Physio- und Manualtherapeuten signifikant geprägt. Vor dem Hintergrund einer sich immer mehr professionalisierenden Ausrichtung der Gesundheitsberufe sollte das meines Erachtens nicht unerwähnt bleiben.

Am Beispiel von Kapitel 5, Diagnostik und Therapie am Sakroiliakalgelenk wird deutlich, wie sich „alte Zöpfe“ über Jahre hinweg halten. Es wird über Prüfung des Vorlaufphänomens, Prüfung der variablen Beinlängendifferenz, Spine-Test und andere Testausführungen gesprochen, ohne dass sich dadurch eine Relevanz für die Therapie ableiten ließe. Der kritische Leser fragt sich auch hier: Wie sieht es eigentlich mit der Reliabilität und Validität dieser Tests aus und was ist eigentlich mit den Provokationstests am Sakroiliakalgelenk, wie sie von Mark Lasslett beschrieben wurden? Gehören diese Tests nicht zu einer sorgfältigen manualtherapeutischen Diagnostik?

Für mich als Leser bleiben viele Fragezeichen. Erwähnen möchte ich noch, dass Techniken zur Verbesserung der neuralen Mobilität (David Butler bzw. Robert Elvey) gänzlich fehlen und das Literaturverzeichnis unvollständig und zum Teil veraltet ist. Dafür gehen die Autoren in Kapitel 13 auf Injektionsverfahren ein, die allerdings dem Arzt vorbehalten bleiben.

Fazit: Ein modernes Standardwerk in Manueller Medizin/Manueller Therapie besteht für mich aus mehr als der scheinbar unreflektiert aufgelisteten Aneinanderreihung von Techniken und Untersuchungsmethoden. Ohne Zweifel haben die Autoren sich redlich bemüht, mehr aber auch nicht. Ich bin auf die 7. Auflage gespannt!

Dr. Claus Beyerlein, Ulm