veterinär spiegel 2012; 22(3): 126
DOI: 10.1055/s-0032-1315312
Nutztiere & Pferde
Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart · New York

Früh agieren, statt (zu) spät reagieren!

Rainer Schneichel
Further Information

Publication History

Publication Date:
27 September 2012 (online)

Früh agieren, statt (zu) spät reagieren!

Liebe Leserinnen und Leser,

der Herbst steht vor der Tür. Nicht nur in der Natur bringt der Jahreszeitenwechsel sichtbare Veränderungen hervor. Auch für die tierärztliche Tätigkeit wird es in naher Zukunft einige neue Anforderungen geben. Mit Vorlage der Novelle zum Arzneimittelgesetz, der Etablierung eines Tiergesundheits- und der Änderung eines Tierschutzgesetzes plant die Bundesregierung eine deutliche Korrektur der bisherigen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Betreuung und Behandlung von Tieren, insbesondere in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung.

Oberstes Ziel der geänderten Vorgaben ist die Minimierung des Antibiotikaeinsatzes und damit die Reduzierung des Risikos von Resistenzbildungen bzw. deren Ausbreitung, sowohl im veterinärmedizinischen Sektor als auch im Humanbereich. Der Entwurf des 16. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes sieht zudem vor, dass den unteren Überwachungsbehörden die notwendigen Kontroll- und Handlungsinstrumente an die Hand gegeben werden, um den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung lückenlos nachvollziehen zu können. Diese Ansätze sind grundsätzlich zu begrüßen.

Der Gesetzentwurf birgt allerdings auch Schwächen bzw. Tücken, die sich vor allem auf die tierärztliche Therapiefreiheit beziehen. Außerdem greifen die in der Vorlage definierten Maßnahmen an sich zu spät, um eine positive Wirkung entfalten zu können. Hier und an weiteren Punkten gibt es noch deutlichen Nachbesserungsbedarf, bevor das Gesetz tatsächlich zur Verabschiedung kommt.

Doch egal, was schließlich auf uns zukommt. Es ist meines Erachtens falsch, abzuwarten und schließlich nur noch reagieren zu können. Das Motto sollte vielmehr heißen: jetzt und frühzeitig agieren! Dies bezieht sich nicht nur darauf, dass wir uns konstruktiv bei der Erarbeitung von Vorschlägen zu den vorgelegten Gesetzentwürfen einbringen.

Wir müssen darüber hinaus schon jetzt gewappnet sein für die Anforderungen, die eine erfolgreiche tierärztliche Bestandsbetreuung mit sich bringt. Diese haben sich bereits in den vergangenen Jahren aufgrund des zunehmenden Spezialisierungsgrads in der Landwirtschaft gravierend verändert.

Heute gilt es mehr denn je, geeignete Vorbeugeinstrumente in der Nutztierhaltung zu etablieren, um den Gesundheitsstatus der Bestände zu verbessern und die Notwendigkeit therapeutischer Eingriffe zu reduzieren. Ein Beispiel dafür ist der Beitrag „Tränkemanagement bei Kälberdiarrhö – Was, wann, wie viel?“ in dieser Ausgabe, der zeigt, wie wichtig diätetische Prophylaxemaßnahmen für die Gesundheit der Nachzucht sind. Auch hier gilt: je früher, desto besser. Insbesondere der rechtzeitigen und ausreichenden Kolostrumgabe kommt dabei wesentliche Bedeutung zu. Das lässt sich beliebig auch auf andere Tierarten übertragen, denn die Entwicklung eines stabilen Immunsystems und einer einwandfrei funktionierenden Darmflora ist schließlich die Grundlage für eine gute Entwicklung von Jungtieren.

Um im landwirtschaftlichen Betrieb geeignete Vorbeugemaßnahmen, zu denen auch Impfungen gehören, zu etablieren, bedarf es einer straffen Vorgehensweise. Wichtig dabei ist die intensive Kommunikation mit dem Betriebsleiter und den Mitarbeitern. Tipps dafür finden Sie im Beitrag „Erfolgreiche Kommunikation mit dem Landwirt“ in dieser Ausgabe.

Konkret bedeutet das für unsere Tätigkeit, dass der tierärztlichen Bestandsbetreuung zukünftig eine noch viel größere Bedeutung zukommt, als dies zurzeit gelebt wird. Regelmäßige Betriebsbesuche in straffen Zeitintervallen, intensive Gespräche mit dem Landwirt und vor allem ein gezielter Blick auf die betriebsindividuellen Gegebenheiten einschließlich der Auswertung der Produktionsdaten stellen die Säulen einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Tierarzt und Tierhalter dar.

Wichtig dafür ist heute neben einem umfassenden veterinärmedizinischen Fachverstand vor allem auch die Kenntnis über die Zusammenhänge im landwirtschaftlichen Betrieb. Dazu gehört die Fähigkeit, die jeweiligen Rahmenbedingungen zu erkennen und zu bewerten. Diese umfassen beispielsweise die baulichen Gegebenheiten, die Status-Quo-Situation und die Entwicklungsperspektiven des Betriebs, die Beurteilung von Haltungs- und Klimabedingungen, die intensive und regelmäßige Auswertung von Produktionskennziffern anhand von Sauenplanern, LKV-Daten u. A. sowie die Aufdeckung von möglichen Schwachstellen in den genannten Bereichen und die gezielte Optimierung.

„Nur die Tiergesundheit ist Dreh- und Angelpunkt für eine erfolgreiche Produktion und die Minimierung des Antibiotikaeinsatzes.“

Zoom Image
Ihr
Dr. Rainer Schneichel

#