Zeitschrift für Palliativmedizin 2012; 13(3): 120-122
DOI: 10.1055/s-0032-1315407
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Von der Bedeutung der Wahrheit – Wahrheit und Wahrhaftigkeit beim Umgang mit terminal Kranken

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Publication Date:
23 May 2012 (online)

Nach Otto Friedrich Bollnow wendet sich die Wahrhaftigkeit nach innen, das heißt sie lebt in der Beziehung des Menschen zu sich selbst: „Sie bedeutet die innere Durchsichtigkeit und das freie Einstehen des Menschen für sich selbst. (…) Eine ehrliche Lüge ist etwas anderes als eine Unwahrhaftigkeit. (…) Die Unwahrhaftigkeit aber setzt da ein, wo der Mensch sich selbst etwas vormacht, wo er auch sich selbst gegenüber nicht zugibt, dass er lügt, wo er sich die Verhältnisse vielmehr so zurechtlegt, dass er sich selbst gegenüber den Schein der Ehrlichkeit wahrt. (…) Viel gefährlicher aber wird es, wenn er sich die Verhältnisse so zurechtlegt, dass er seine Aussage und sein Verhalten verantworten zu können glaubt“ (1).

Nach Immanuel Kant steht mit der Wahrheit zugleich die Würde des je anderen auf dem Spiel, weil die Lüge dem Gebot der Selbstachtung widerstreitet, die wir Menschen als Vernunftwesen voreinander haben und auch bewahren sollen. Daher verletzt die Lüge die Würde der menschlichen Person[1].

Entsprechend gehören Wahrheit und Wahrhaftigkeit – auch in der Arzt-Patient-Beziehung – zu den fundamentalen moralischen Prinzipien, mit denen Menschen miteinander leben können. Das Maß an Zuverlässigkeit und Vertrauen, auf das Patienten in ihrer Lage angewiesen sind, ist erheblich von der Wahrhaftigkeit des Arztes abhängig.

1 1 Ulrich Wickert: Das Buch der Tugenden.

2 2 Beides Begriffe aus der Gesprächstherapie nach C. Rogers.

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