Zeitschrift für Palliativmedizin 2012; 13(3): 124
DOI: 10.1055/s-0032-1315408
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Demenz – Verlegungen in den letzten Lebensmonaten oft belastend und vermeidbar

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Publication Date:
23 May 2012 (online)

Patientenverlegungen aus Pflegeheimen in Kliniken können die Betroffenen stark belasten, z. B. durch Änderungen bei der Behandlung oder Wiederholung bereits erfolgter diagnostischer Maßnahmen. Vor allem Patienten, die an einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung leiden, werden durch den Stress der Verlegung, neue und unbekannte Örtlichkeiten, die Unfähigkeit, die eigenen Probleme und Bedürfnisse zu artikulieren etc. belastet. Wie häufig kommen diese Verlegungen jedoch vor, und sind sie möglicherweise vermeidbar? Die Arbeitsgruppe um Pedro Gozalo der Brown University hat sich dieser Fragen angenommen.

N Engl J Med 2011, 365; 1212–1221

Verlegungen aus einem Pflegeheim in ein Krankenhaus sind zum einen häufig, zum anderen mit einer eingeschränkten Lebensqualität am Lebensende verbunden, so das Ergebnis der retrospektiven Analyse der Wissenschaftler. Gozalo et al. werteten dazu USA-weit die Daten von 474 829 Pflegeheim-Patienten aus den Jahren 2000 bis 2007 aus, die an einer fortgeschrittenen Demenz litten. Eine „belastende Verlegung“ war dabei definiert als Verlegung in den letzten 3 Tagen des Lebens, fehlende Kontinuität der Pflegeheimbetreuung nach Entlassung aus dem Krankenhaus und / oder mehrfache Krankenhausaufnahmen in den letzten 90 Tagen des Lebens.

Marker für eine schlechte Lebensqualität waren

Anlage einer Ernährungssonde in den letzten 90 Lebenstagen, Auftreten eines schweren Dekubitus (Stadium IV), Verlegung auf eine Intensivstation in den letzten 30 Lebenstagen und eine späte Verlegung in ein Hospiz (in den letzten 3 Lebenstagen).

Die Ergebnisse zeigten, dass 90 228 Pflegeheimpatienten (19%) in den letzten 90 Tagen ihres Lebens mindestens eine belastende Verlegung erfuhren, wobei Verlegungen über die Jahre hinweg zunahmen: von 17,4% im Jahr 2000 bis auf 19,6% im Jahr 2007. Bedeutende Risikofaktoren, eine belastende Verlegung zu erleben, waren

schwarze Ethnie, männliches Geschlecht sowie das Fehlen einer Patientenverfügung.

Verlegungen führten im Allgemeinen zu einer schlechteren Lebensqualität bei alten Menschen: Das Risiko, eine Ernährungssonde angelegt zu bekommen, war hier mehr als 3-mal so hoch wie bei Patienten, die nicht verlegt wurden. Das Risiko einer Aufnahme auf die Intensivstation und das Auftreten eines schwere Dekubitus war nach der Verlegung mehr als doppelt so hoch. Auch das Risiko für eine späte Verlegung in ein Hospiz war leicht erhöht (auf das 1,17-Fache).

Fazit

Ein Fünftel der dementen Pflegeheimbewohner werden am Lebensende in eine Klinik verlegt. Vor dem Hintergrund des angestrebten Ziels, eine ruhige, tröstliche und geborgene Atmosphäre in den Wochen vor dem Tod zu schaffen, sind das deutlich zu viele, so Gozalo und Kollegen. Dabei scheint ein großer Teil der Verlegungen vermeidbar: Pneumonien und andere Infektionen lassen sich ebenso gut im Pflegeheim behandeln, ebenso Dehydrierungen. Eine Ursache für die Krankenhauseinweisungen könnten falsch gesetzte finanzielle Anreize sein, spekulieren die Autoren und rufen dazu auf, solche Anreize kritisch zu überprüfen.

Dr. Elke Ruchalla, Trossingen

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