Sportverletz Sportschaden 2012; 26(02): 66
DOI: 10.1055/s-0032-1316393
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

EKG-Interpretation bei Leistungssportlern – Standardisierte EKG-Kriterien helfen bei Befundung

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Publication Date:
12 June 2012 (online)

Die physiologischen Anpassungsvorgänge bei Leistungssportlern machen die Interpretation des Ruhe-EKGs zu einer Herausforderung. US-amerikanische Ärzte haben nun untersucht, inwieweit verschiedene Fachgruppen solch ein EKG richtig lesen können und welchen Stellenwert dabei standardisierte EKG-Kriterien haben. Sie kamen zu dem Schluss, dass auch relativ unerfahrene Ärzte anhand dieser Kriterien anormale Befunde relativ zuverlässig erkennen können.
Br J Sports Med 1012; 46: 335–340

Zur Vermeidung des plötzlichen Herztodes bei Leistungssportlern empfehlen viele Fachgesellschaften ein kardiovaskuläres Screening. Dabei stellt sich die Frage, wie zuverlässig Ärzte verschiedener Fachrichtungen das Ruhe-EKG von Athleten interpretieren. Die kardiale Adaption und das Remodelling durch intensives Training führt zu EKG-Veränderungen, die man normalerweise als pathologisch ansehen könnte. Um die Differenzierung zwischen einem normalen EKG und krankhaften Veränderungen bei Leistungssportlern zu erleichtern, wurden in den letzten 10 Jahren standardisierte EKG-Kriterien entwickelt. Jonathan Drezner, University Washington, Seattle/USA, und Kollegen haben vor diesem Hintergrund betrachtet, wie zuverlässig Ärzte verschiedener Fachgruppen ein EKG mit und ohne standardisierte Kriterien für Sportler bewerten.

An der Untersuchung nahmen 60 Ärzte teil, 22 waren Hausärzte, 16 Allgemeinmediziner, 12 Sportmediziner und 10 Kardiologen. Sie erhielten jeweils 40 EKGs zur Interpretation. Dabei stammten 28 EKGs von Leistungssportlern (Fußball/Basketball) mit Normalbefund und physiologischen Adaptionen. Als Adaption galten:

  • Sinus-Bradykardie

  • Sinus-Arrhythmie

  • AV-Block 1. Grades

  • inkompletter Rechtsschenkelblock

  • frühe Repolarisation

  • isoliert erhöhte QRS-Voltage

Bei 12 Befunden handelte es sich um EKGs von Patienten mit bekannter kardiovaskulärer Pathologie. Die pathologischen EKGs wiesen Veränderungen auf, die zu den häufigsten Ursachen eines plötzlichen Herztodes zählen (hypertrophe Kardiomyopathie, Long-QT-Syndrom, Wolff-Parkinson-White-Syndrom, rechtsventrikuläre Kardiomyopathie mit Arrhythmie, linksventrikuläre Noncompaction und Brugada-Syndrom [Abb. [ 1 ]).

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12-Kanal-EKGs sind sinnvoll zum Ausschluss von Herzerkrankungen bei Leistungssportlern. Hier zu sehen ist eine intermittierende Form des Brugada-Syndroms: Unauffälliges EKG nach Kammerflimmern (a); eine Woche später Zeichen des Brugada-Syndroms mit Rechtsschenkelblock und ST-Hebungen in den Ableitungen V1–V3 (b). Dem Brugada-Syndrom liegt eine genetische Mutation der Ionenkanäle zugrunde. Das Burgada-Syndrom ist zusammen mit anderen "elektrischen Herzerkrankungen" für ca. 10–20 % der plötzlichen Herztodesfälle verantwortlich (Schimpf R et al. Herz 2009; 34: 281–288). Liegt der Verdacht auf ein verborgenes Burgada-Syndrom vor, z.B. aufgrund ventrikulärer Tachyarrhythmien, kann eine Demaskierung der Anzeichen mit einem Natrium-Kanal-Blocker Aufschluss geben.(EKG aus: Schuster H-P/Trappe H-J, EKG-Kurs für Isabel; Thieme 2009)

Die teilnehmenden Ärzte interpretierten die EKGs randomisiert zunächst spontan und dann noch einmal anhand der standardisierten EKG-Kriterien. Die EKG-Interpretationen der Geräte wurden entfernt, um die Ärzte unbeeinflusst zu lassen. Keiner der Teilnehmer hatte Erfahrung mit der Interpretation von Sportler-EKGs.