Rofo 2012; 184(8): 690
DOI: 10.1055/s-0032-1318837
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Psychosen – Untersuchung zu strukturellen Gehirnveränderungen

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Publication Date:
14 August 2012 (online)

Studien konnten im Fall von Schizophrenie-Patienten mit Krankheitsbeginn im Kindesalter einen progressiven Verlust an kortikaler grauer Substanz sowie eine abnorme Zunahme des Ventrikelvolumens nachweisen. Ob dies auch auf andere Psychosen zutrifft, ist unklar. C. Arango et al. haben nun mittels der MRT die Progression struktureller Gehirnveränderungen bei Patienten mit „Early-Onset“-Psychosen untersucht.

Arch Gen Psychiatry 2012; 69: 16–26

Die prospektive, multizentrische, 2-jährige „Follow-up“-Studie fand an 6 psychiatrischen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche in Spanien statt. Zwischen März 2003 und November 2005 wurden 110 Patienten und 98, nach Alter, Geschlecht sowie elterlichem sozioökonomischem Status gematchte, gesunde Kontrollen rekrutiert. Um an der Studie teilnehmen zu können, mussten die Probanden zwischen 7 und 17 Jahre alt sein. 25 Patienten mit Schizophrenie, 16 mit bipolarer Störung, 20 mit anderen Psychosen sowie 70 gesunde Kontrollpersonen unterzogen sich einer MRT des Gehirns, und zwar zu Studienbeginn und nach Ende der 2-jährigen Nachbeobachtung. Hauptzielparameter waren die Volumina von grauer Substanz sowie des Liquor cerebrospinalis im gesamten Gehirn, Frontal-, Parietal- und Temporallappen.

Das Durchschnittsalter der Patienten zu Studienbeginn war 15,5 Jahre, das der Kontrollpersonen 15,3 Jahre. Die durchschnittliche Krankheitsdauer betrug 3,3 Monate (Spanne: 1–12 Monate). Die Patienten wurden bei Aufnahme im Durchschnitt seit 9,9 Wochen (Spanne: 0–16 Wochen) antipsychotisch behandelt. Im Vergleich zu der Kontrollgruppe zeigten Schizophrenie-Patienten während des 2-jährigen „Follow-up“ einen größeren Verlust an grauer Substanz im Frontallappen (links: –3,3 vs. –0,6 cm3, p = 0,004; rechts: –3,7 vs. –0,8 cm3, p = 0,005) sowie eine größere Volumenzunahme des Liquor cerebrospinalis im linken Frontallappen (6,7 vs. 2,4 cm3, p = 0,006). Auch in Bezug auf die Volumenänderung der gesamten grauen Substanz (–37,1 vs. –14,5 cm3, p = 0,001) und der grauen Substanz im linken Parietallappen (–4,3 vs. –2,2 cm3, p = 0,04) unterschieden sich Schizophrenie-Patienten und gesunde Kontrollen signifikant. Zwischen Patienten mit bipolarer Störung und Kontrollen stellten die Autoren keine signifikanten Unterschiede fest. Bei Patienten mit Schizophrenie bestand ein Zusammenhang zwischen einem längeren Krankenhausaufenthalt und einem größeren Verlust an grauer Substanz im linken Frontallappen. Eine Zunahme des Liquor cerebrospinalis korrelierte mit der Schwere negativer Symptome.

Fazit

Patienten mit Schizophrenie oder anderen Psychosen zeigten gegenüber den Kontrollen unter anderem einen größeren Verlust an grauer Substanz sowie eine Zunahme des Liquor cerebrospinalis im Frontallappen. Die progressiven Veränderungen waren bei Schizophrenie-Patienten deutlicher ausgeprägt als bei Patienten mit einer bipolaren Störung, so die Autoren.

Dr. Frank Lichert, Weilburg