Z Gastroenterol 2012; 50(10): 1068
DOI: 10.1055/s-0032-1318975
Forschung aktuell
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Leberzirrhose – Erhöhtes Sturzrisiko bei kognitiven Störungen

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Publication Date:
12 November 2012 (online)

Patienten mit einer Leberzirrhose leiden häufig an kognitiven Störungen, auch wenn sie keine Zeichen einer hepatischen Enzephalopathie bieten. Da kognitive Störungen das Aufmerksamkeitsniveau senken, könnten sie dadurch das Sturzrisiko erhöhen. G. Soriano et al. gingen dem nun nach.

Hepatology 2012; 55: 1922–1930

Eingeschlossen in die Studie wurden 130 Patienten mit Leberzirrhose. Neben den üblichen soziodemografischen und klinischen Daten dokumentierten die Autoren auch alle Parameter, die das Sturzrisiko erhöhen, beispielsweise Serumnatrium, mittleren arteriellen Blutdruck, Medikamente oder Begleiterkrankungen. Eventuelle kognitive Störungen der Teilnehmer beurteilten sie anhand des psychometrischen hepatischen Enzephalopathie-Scores (PHES), einer neuropsychologischen Testbatterie. Eine kognitive Dysfunktion besteht bei Werten < –4. Außerdem wurde bei allen Patienten ein Flickerlichttest durchgeführt. Stürze wurden während des einjährigen Beobachtungszeitraums alle 3 Monate per Telefoninterview erfasst.

In die Analyse gingen insgesamt 122 Patienten im Durchschnittsalter von 63,0 Jahren ein, 77 davon (63,1%) Männer; die Ätiologie der Zirrhose war in 55,7% der Fälle (n = 68) äthyltoxisch. Bei 42 Teilnehmern (34,4%) fand sich in der Testung eine kognitive Störung; die mittlere Beobachtungszeit betrug bei Patienten mit kognitiven Störungen 9,5 Monate, bei Patienten mit normaler Kognition 11,2 Monate. Von den Teilnehmern mit kognitiven Störungen erlitten 17 (40,4%) im Beobachtungszeitraum mindestens einen Sturz. Im Gegensatz dazu war dies in der anderen Gruppe nur bei 5 Patienten (6,2%) der Fall. Zu Frakturen im Rahmen dieser Stürze kam es bei 4 Patienten (9,5%) mit kognitiven Störungen, aber bei keinem Patienten der anderen Gruppe. Patienten, die mit psychoaktiven Medikamenten behandelt wurden (n = 21), stürzten häufiger, was ebenfalls mit einem schlechten Ergebnis im PHES korrelierte. Bei Teilnehmern, die keine psychoaktiven Medikamente einnahmen, betrugen die Sturzraten 32,4% bei kognitiven Störungen und 7,5% bei normaler Kognition. In der multivariaten Analyse erwiesen sich kognitive Störungen als einziger unabhängiger Prädiktor von Stürzen mit einer Odds Ratio von 10,2. Die 1-Jahres-Wahrscheinlichkeit von Stürzen betrug bei kognitiver Dysfunktion 52,3% und bei normaler Kognition 6,5%.

Fazit

Ein abnormer PHES-Test identifiziert Leberzirrhosepatienten, die ein erhöhtes Sturzrisiko haben. Dieser psychometrische Test könnte somit geeignet sein, das Bewusstsein für die Gefahr von Stürzen zu schärfen und Patienten zu identifizieren, die von Präventionsmaßnahmen profitieren, so die Autoren.

Dr. med. Johannes Weiß, Bad Kissingen