Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2012; 22 - A57
DOI: 10.1055/s-0032-1322857

Das Konzept der posturalen Therapie in der Schmerztherapie des Facharztes für PRM bei den häufigsten Schmerzen im Bewegungsapparat

E Rasev 1
  • 1Institut Dr. Eugen Rasev, Schweinfurt

Die Schmerztherapie am Bewegungsapparat ist ein wichtiger Teil der medizinischen Rehabilitation. Der Facharzt für PRM kann vielen Schmerz-Patienten wesentlich besser helfen, als andere etablierte Fachärzte, die sich ebenso mit dem Bewegungssystem beschäftigen. Die Schmerzursachen haben sich in letzten Jahrzehnten verändert. Obwohl es immer noch entzündliche und traumatische Prozesse gibt, liegt die Mehrheit der klinischen Schmerzursachen in der veränderten muskulären Zusammenarbeit. Monotone Haltungen des Rumpfes nehmen zu. Die Notwendigkeit der funktionellen Stabilisierung der monotonen Rumpfhaltungen stellt die Steuerung der muskulären Zusammenarbeit vor steigernde Aufgaben. Die Einsätze der Feinmotorik führen zu Körperschwerpunktverlagerungen, die in Gürtelregionen und im Rumpfbereich stabilisiert werden müssen. Der Begriff Posture stammt aus der engl. Sprache und bedeutet die Haltung. Das Wort postural bedeutet „betreffend die stabilisierende muskuläre Zusammenarbeit zum gewissen Ziel“. Es kann auch als „das einer laufenden Situation adäquates stabiles motorisches Verhalten“ im Gravitationsfeld verstanden werden. Die posturale=funktionelle Stabilisierung Das wichtigste Zeichen der posturalen Reaktionen ist die synergistische Aktivierung der Muskeln an Gelenken, die eine Stütz- oder Haltefunktion haben. Für die meisten Tätigkeiten im Sitzen und Stehen braucht man vor allem eine gute Einstellung der Position in intersegmentalen Zwischenwirbelräumen. Die stabilisierenden Muskeln müssen rechtzeitig aktiviert werden und, besonders wichtig, sie müssen rechtzeitig nachlassen=entspannen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Die posturale Dysfunktion Bei einer posturalen Dysfunktion entsteht eine veränderte synergistische Aktivierung der Muskeln an Gelenken, die eine Stütz- oder Haltefunktion sicherstellen. Die intersegmentale Koordination wird gehemmt. Die funktionelle Stabilisierung wird dann hauptsächlich von der polysegmentalen Muskulatur übernommen. Besonders die Aktivierung der polysegmentalen Muskulatur führt zur Nozizeption aus der Isometrie, die extrem häufig zur Entstehung der postural bedingten Schmerzen führt. In der Zeit der sitzenden Berufe sind monotone Haltungen und dadurch die Armut der input-Informationen aus den Propriozeptoren, Exterozeptoren und aus dem Vestibularapparat eine der Hauptursachen der veränderten posturalen Reaktionen. Kleine Schleudertraumata, Stressreaktionen, Erschöpfungszustände und jede mögliche primäre Beeinträchtigung der Programme im ZNS tragen zur Entstehung einer posturalen Dysfunktion bei. Was unterscheidet den schmerztherapeutisch tätigen Facharzt für PRM wesentlich von anderen Fachärzten? Die Kenntnisse der posturalen Funktionspathologie der Motorik und des Muskeltonus können den schmerztherapeutisch tätigen Facharzt für PRM wesentlich von anderen Fachärzten unterscheiden. Die Dysfunktion (Fehlsteuerung) der Stabilisierung der Motorik wird in diversen Schulen leider noch uneinheitlich bezeichnet. Am besten erscheint die Bezeichnung Dysfunktion der posturalen Reaktionen, oder, noch kürzer, der Begriff posturale Dysfunktion. Weitere synonyme Bezeichnungen für die posturale Dysfunktion: – Dysfunktion der intersegmentalen Koordination – funktionelle Instabilität oder funktionelle segmentale oder intersegmentale Instabilität – veränderte Steuerung der synergistischen Koaktivierung der Muskulatur – funktionelle statische Störung Destruktive Prozesse können ebenso als Schmerzursachen im Bewegungsapparat vorkommen. Dies ist jedoch viel seltener der Fall als die posturale Dysfunktion. Unter destruktive Prozesse gehören z.B. Entzündungen, Kompressionen der nervalen Strukturen (Einklemmung), Irritationen (Reiben), Folgen struktureller Engpässe oder morphologischer Veränderungen der Gelenke wie z.B. eine dekompensierte Arthritis etc. Posturale Dysfunktion ist die weitgehend häufigste Ursache der Schmerzen im Bewegungssystem. Es handelt sich um eine Fehlsteuerung der Zusammenarbeit der Weichteile, die zu einer Überlastung der Weichteilstrukturen führt. Diese Überlastung äußert sich klinisch als Funktionspathologie der Motorik (Muskeldysbalancen), die jedoch primär nichts zu tun hat mit einer psychogenen Störung. Die direkte Schmerzursache ist die Nozizeption aus der Isometrie, die in Muskelfaserbündeln der tonischen übererregbaren Muskeln und manchmal auch in inhibierten Muskeln entsteht. Die Intensität dieser Nozizeption ist oft sehr stark (z.B. „trigger“-Punkte), trotzdem kann die richtige posturale Therapie sehr erfolgreich werden, ohne jegliche Medikamente, operative Eingriffe oder unnötige, teure Untersuchungen mithilfe der bildgebenden Verfahren (MRT, CT...). Wenn die klinische Diagnose vom Facharzt für PRM richtig gestellt wird, und das ist in den meisten Fällen klinisch gut möglich, erspart jeder Facharzt für PRM den Krankenkassen täglich mehrere Tausend Euro. Das Konzept der posturalen – die Ausarbeitung der posturalen Stabilisierung – Das Konzept der posturalen Therapie besteht aus 3 Stufen (modifiziert nach Rašev): 1. Optimierung der afferenten Information durch lokale Maßnahmen der autogenen Inhibition oder der Fazilitation in Segmenten. 2. Einsatz der reziproken Inhibition und der autogenen Inhibition in funktionellen Bewegungsketten 3. Die eigentliche posturale Therapie mit der antizipatorischen Programmierung der intersegmentalen synergistischen Muskelaktivität, mit besonderer Aktivierung der vestibulocerebellaren und posturalen Steuerungsmechanismen (subkortikalen Programme). Die eigentliche posturale Therapie beinhaltet systematisierte, immer schwierigere Übungen, z.B. auf einer dosiert instabiler Therapiefläche POSTUROMED, oder Atemtechniken, Therapie nach Vojta etc. Die Übungen haben das Ziel, eine gute intersegmentale Koordination auszuarbeiten. Sie unterscheiden sich wesentlich von Gleichgewichtsübungen durch die gezielte Ausarbeitung der zielorientierten feed forward Mechanismen. Durch die 3 Stufen der posturale Therapie verlieren sogar viele Pathomorphologien der Bandscheibe und sog. im CT- oder MRT-Bild nachgewiesene degenerative Erscheinungen ihre klinische Relevanz. Durch eine bessere synergistische Aktivierung besonders der intersegmentalen Muskeln wird die Nozizeption aus den überlasteten polysegmentalen Muskeln verhindert.