Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2012; 22 - A62
DOI: 10.1055/s-0032-1322862

Ist die Entzündungsreaktion essentiell für die Wiederherstellung des Muskels nach exzentrischer Muskelkontraktion (Muskelkatersyndrom)?

EJ Seidel 1, M Rother 1, I Rother 1, A Fischer 1
  • 1Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar

Hintergrund: Exz. Training der Muskulatur führt zu einer Entzündung, welche offensichtlich durch Mikrotraumatisierung der beanspruchten Muskulatur ausgelöst wird. Dabei kommt es zu einem Schmerzgipfel 24 bis 48 Stunden nach der muskulären Belastung. Der Gebrauch von NSAR wird in der täglichen Praxis häufig angewendet. Der Nutzen solcher Medikamente wird sehr kontrovers diskutiert. Wir haben ein reliables und valides Modell zur Muskelkaterprovokation mittels Treppen abwärts Steigen entwickelt, welches die biomechanischen Besonderheiten (Gewicht) berücksichtigt. Dieses Modell ist geeignet, die Beeinflussung des Schmerzes infolge exz. Belastung unter Therapie zu beobachten. Ketoprofen und Diclofenac sind hochpotente antientzündliche Wirkstoffe, im Gegensatz zu Celebrex, welches eine eher geringere Potenz aufweist. Zielstellung: Vergleich des Effektes zweier unterschiedlich potenter NSAR (Ketoprofen und Celecoxib) auf den Verlauf des Muskelschmerzprofils. Methode: Zwei randomisierte, placebokontrollierte Studien wurden mit identischem Design durchgeführt. In beiden Studien wurde DOMS durch exz. Muskelkontraktion beim Down-Stairs-Model ausgelöst, wobei die zu überwindende Höhenmeterzahl in Abhängigkeit vom jeweiligen Körpergewicht des Probanden berechnet wurde. Studie I untersuchte den Effekt von 200mg Celecoxib (Cel/n=40) gegen Placebo (PG/n=40), Studie II untersuchte den Effekt von 100mg Ketoprofen (Keto/n=24) gegen Placebo (n=48). Die Medikation wurde am 1.-7. Tage nach der muskulären Belastung oral verabreicht. Der Schmerz wurde anhand einer 11 Punkte-Skala bewertet. Alle Untersuchungen wurden täglich mindestens ein Mal durchgeführt, um den Zeitverlauf der Effekte gut beobachten zu können. Resultate: Studie I zeigte einen Schmerzgipfel in den Waden zum Messzeitpunkt 24, 36 und 48h nach der muskulären Belastung (4,2±1,9, 4,8±2,2, 4,2±2,5). Dabei wurde ein geringer, jedoch nicht signifikanter Trend bei der Reduktion des Schmerzes in der CelG beobachtet ((3,7±1,6, 4,4±2,0, 3,8±1,9). Studie II zeigte, das KetoG, verglichen mit PG in den ersten 24h die Schmerzausprägung reduzierte. Die Betrachtung über den gesamten Beobachtungszeitraum (AUC) zeigte jedoch, dass die KetoG behandelten Probanden höhere Schmerzgrade berichteten, als die PG (p=0,0240). Außerdem waren die maximale Schmerzausprägung und die Zeit bis zum Erreichen des Schmerzmaximums in der KetoG höher als in der PG. Unter Berücksichtigung aller ausgewerteten Parameter zeigt sich, dass der deutlich negativste Effekt von oral verabreichtem Keto darin besteht, die Zeit bis zur vollständigen Erholung der Muskulatur zu verzögern. (Zeit bis zur vollen Erholung: p=0,0046). Zusammenfassung: Keto als eine hochpotente antientzündlichen Substanz hat, im Gegensatz zu Cel, wahrscheinlich eine schädliche Wirkung auf die Erholung der Muskulatur nach exz. Belastung. Das ist in Übereinstimmung mit Ergebnissen einer Studie, die die Effekte von Keto und Cel nach Tonsillektomie vergleicht (Nikanne et al. 2005). Auch hier zeigen sich deutlichere Behandlungseffekte in der KetoG innerhalb der ersten 24h, aber eine insgesamt langsamere Erholung als in der CelG. Das unterschiedliche antientz. Potential dieser beiden Substanzen legt den Verdacht nahe, dass die antientz. Reaktion nach Muskeltrauma einen substantiellen Bestandteil der muskulären Erholung darstellt. Da der Effekt von Cel auf DOMS eher mäßig und nicht signifikant ist, kann der Einsatz von NSAR zur Behandlung eines postexz. Muskelschmerzes nicht empfohlen werden.