Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A171
DOI: 10.1055/s-0032-1323334

Zusammenhang der Impfung gegen Poliomyelitis mit Inzidenz und Mortalität in Deutschland – Zeitreihenanalysen zur Bestimmung des epidemiologischen Nutzens

S Klein 1, I Schöneberg 2, G Krause 2
  • 1Charité Universitätsmedizin, Berlin
  • 2Robert Koch-Institut, Berlin

Einleitung: Poliomyelitis ist eine impfpräventable Erkrankung, die noch in den 50er Jahren auch in Deutschland eine große Krankheitslast verursacht hat. Für Deutschland wird der Zusammenhang der Einführung der inaktivierten (IPV) und der oralen (OPV) Poliomyelitis-Impfung mit Veränderungen der Morbidität und Mortalität an Poliomyelitis untersucht.

Methoden: Es wurden Fall- und Sterbefall- sowie Bevölkerungsdaten der Jahre 1910/1911–2010 (Deutsches Reich, DDR, BRD) recherchiert und erfasst sowie Inzidenz und Mortalität an Poliomyelitis berechnet und als Zeitreihen dargestellt. Schließlich wurden „interupted time series“-Analysen durchgeführt, um den Zusammenhang der Einführung einerseits der freiwilligen IPV-Impfung 1958 und der OPV-Pflichtimpfung 1961 in der DDR und andererseits der freiwilligen IPV-Impfung 1954 und der OPV-Impfung 1960 in der BRD mit Inzidenz und Mortalität an Poliomyelitis zu bestimmen.

Ergebnisse: Für die freiwillige IPV-Impfung ist weder in der DDR, noch in der BRD ein Zusammenhang mit der Morbidität und Mortalität an Poliomyelitis ermittelbar. Dagegen ging mit Einführung der OPV-Impfung in der DDR und BRD ein deutlicher Rückgang der Inzidenz (DDR: Niveau: –6,530/100.000; p<0,000; Trend: –0,134/100.000; p=0,002; BRD: Niveau: –7,330/100.000; p<0,000; Trend: –0,163/100.000; p=0,001) und Mortalität (BRD: Niveau: –0,659/100.000; p<0,000; Trend: –0,012/100.000; p=0,015) einher.

Diskussion Fall- und Todesfalldaten liegen für die Anfangsjahre der Erfassung nicht nach Alter und Geschlecht vor, daher konnte keine Alters- und Geschlechtsstandardisierung vorgenommen werden. Trotz der Unterschiede bei der Fallzahlerfassung vor und nach Einführung der OPV-Impfung ergibt sich ein deutlicher Hinweis auf einen großen epidemiologischen Nutzen. Neben den hier betrachteten Effekten können weitere Aspekte in die Abwägung des epidemiologischen Nutzens (z.B. Altersverschiebung, Ausbleiben des Sommer-Herbst-Gipfels) einbezogen werden.