Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A174
DOI: 10.1055/s-0032-1323337

Bedürfnisse und Sichtweisen von älteren Menschen mit schwerer Herzinsuffizienz: Ergebnisse einer qualitativen Längsschnittstudie

K Klindtworth 1, P Oster 2, K Hager 3, N Schneider 1
  • 1Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung; Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
  • 2Geriatrisches Zentrum Bethanien am Klinikum der Universität Heidelberg, Heidelberg
  • 3Henriettenstiftung, Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie, Hannover

Hintergrund: Herzinsuffizienz gehört zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Ziel dieser Studie war es, die Bedürfnisse und Sichtweisen älterer Menschen mit schwerer Herzinsuffizienz im Krankheitsverlauf zu analysieren. Methodik: Qualitative leitfaden-gestützte Interviews mit 25 Patienten (m/w, 70 Jahre und älter, Herzinsuffizienz NYHA III/IV). Interviewdurchführung alle drei Monate über einen Zeitraum von zwölf Monaten (bis zu fünf Interviews pro Patient). Aufzeichnung, Transkription und qualitativ-inhaltsanalytische Auswertung. Ergebnisse: Insgesamt wurden 75 Interviews durchgeführt. Acht Patienten sind im Studienzeitraum verstorben, sieben Patienten konnten nicht über den vollen 12-Monatszeitraum verfolgt werden (nicht mehr in der Lage oder bereit für weitere Interviews). Die qualitativen Analysen ergaben folgende Kernthemen: Krankheitsverständnis; Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen; soziales Umfeld. Insgesamt hatten die Betroffenen wenig Information über und Bewusstsein für die Erkrankung und ihre limitierte Prognose. Beschwerden wurden eher dem höheren Lebensalter zugeschrieben. Teilweise wurde die Verantwortung für Problemlösungen gänzlich vertrauensvoll in die Hände von Angehörigen gelegt; teilweise spielte der Hausarzt die tragende Rolle bei der Bewältigung von Beschwerden und Problemen im Alltag. Diskussion und Schlussfolgerung: Eine offene Kommunikation über die Erkrankung und ihre Prognose findet bei älteren Menschen mit schwerer Herzinsuffizienz wenig statt. Sofern dies der Wunsch der Betroffenen ist, ist dies zu respektieren. Allerdings sollten sich die Versorger, insbesondere die oftmals eng involvierten Hausärzte, möglicher Kommunikationsbarrieren (z.B. Informationsdefizite, Ängste) bewusst sein und Angehörigen und Patienten im Verlauf wiederholte Gesprächsangebote machen. Ein verstärkter Einsatz von systematischem Advance Care Planning (ACP) könnte hilfreich sein.