Dtsch Med Wochenschr 2012; 137 - A291
DOI: 10.1055/s-0032-1323454

Nutzen und Risiken der Darmkrebsprävention bei älteren Screeningteilnehmern – Erfahrungen aus dem deutschen Koloskopiescreening 2003 bis 2010

M Schäfer 1, L Altenhofen 1, A Weber 1, D Graf von Stillfried 1
  • 1Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin

Hintergrund: Zur Darmkrebsprävention besteht seit 2002 ergänzend zum Okkulttest für die GKV-Bevölkerung ab dem 55. Lebensjahr das Angebot einer Früherkennungskoloskopie. Dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) liegen 3,8 Mio. standardisiert erhobene Koloskopiebefunde der Jahre 2003–2010 vor. Obwohl die Prävalenz des kolorektalen Karzinoms im Alter ansteigt, nimmt der relative Nutzenzuwachs eines Screenings mit zunehmendem Alter aufgrund weiterer Einflussfaktoren ab: die natürlich kürzere Lebenserwartung, höhere Sterblichkeit durch Komorbiditäten sowie ein höheres Komplikationsrisiko bei der Untersuchung (Day et al. 2011). Die Datengrundlage zum deutschen Koloskopiescreening ermöglicht keine Nutzen-Risiko-Analyse hinsichtlich einer verlängerten Lebenserwartung bei Teilnahme sowie zum Einfluss von Komorbiditäten. Auswertungen der Dokumentationen zum Untersuchungsverlauf, -befund und Komplikationen geben allerdings Hinweise auf den Einfluss des Alters auf unerwünschte Screeningeffekte. Ergebnisse: Bei Personen im höheren Alter werden vermehrt auffällige Läsionen im Koloskopiescreening entdeckt. Daneben steigt allerdings auch die Wahrscheinlichkeit einer unvollständigen Untersuchung. Weiter ist bei älteren Teilnehmern eine stationäre Behandlung zur Polypenentfernung häufiger. Jenseits des 70. Lebensjahrs nimmt das Komplikationsrisiko deutlich zu. Eine Analyse über relevante Zielläsionen (fortgeschrittenes Adenom, T1,T2-Ca) und Komplikationen zeigt: Ab dem 70. Lebensjahr verschlechtert sich das frühdiagnostische Nutzen-Risiko-Verhältnis insbesondere bei Frauen. Fazit: Es scheint erforderlich bei der untersuchungsvorbereitenden Beratung eine umfassende Bilanz des individuellen Nutzens und möglichen Risikos anzustellen. Dabei sollten neben dem Alter auch der Gesundheitszustand bei der Teilnahmeentscheidung berücksichtigt werden. Weiter ist anzustreben, die anspruchsberechtigte Bevölkerung zukünftig in einem jüngeren Lebensalter zur Teilnahme zu motivieren.

Literatur: Day, L.W.; Walter, L.C.; Velayos, F. (2011): Colorectal cancer screening and surveillance in the elderly patient. In: Am J Gastroenterol 106 (7), pp. 1197-1206.