Der Klinikarzt 2012; 41(8): 341
DOI: 10.1055/s-0032-1328941
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Wegweiser bei Schlaganfall

Michael G Hennerici
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Publication Date:
27 September 2012 (online)

Im vergangenen Jahrzehnt haben sich die Behandlungs- und Präventionsmöglichkeiten des Schlaganfalls und seiner Folgen weiter entscheidend verbessert – so ist die Mortalität auf Platz 4 gefallen und die Morbidität weiter reduziert durch häufigere Akutbehandlung auf den Schlaganfallstationen und in überregionalen Schlaganfall-Kompetenz-Zentren. Für die Mehrzahl der Betroffenen wird inzwischen Selbstständigkeit oder nur einfache Unterstützung im täglichen Leben erreicht. Noch immer leiden aber 1/3 aller Patienten an ausgeprägten Folgen nicht nur senso-motorischer Defizite, sondern auch kognitiver und kommunikativer Einschränkungen. Dies führt zu einer Steigerung der Rehabilitations-, Pflege- und Versorgungskosten, wenn permanente und über Jahre hinweg notwendige Unterstützung unumgänglich sind. Mit zunehmender Alterung unserer Bevölkerung verschlechtern Schlaganfälle außerdem zunächst noch kompensierte neurodegenerative Entwicklungen oder führen über Netzwerkstörungen klinisch latenter Schädigungen der weißen Substanz zu schrittweisen Einschränkungen und schließlich Verlust der häuslichen Unabhängigkeit.

Immer häufiger werden inzwischen auch kardiogene Emboliequellen Ursprung von schweren hemisphärischen Hirninfarkten, meist auf dem Boden eines paroxysmalen oder permanenten Vorhofflimmerns, das bisweilen übersehen oder nur unzureichend präventiv behandelt wird, mit wachsendem Lebensalter aber immer häufiger auftritt. Demgegenüber sind lokale Gefäßobstruktionen der hirnversorgenden Arterien seltener Ursachen zerebraler Ischämien und die viel diskutierten lokalen operativen oder interventionellen Maßnahmen zur Vermeidung neuer Schlaganfall-Ereignisse bei Karotisstenosen nur noch unter bestimmten Krankheitskonstellationen sinnvoll. Letzteres ist im Wesentlichen der – zu Zeiten der klinischen Studien noch nicht geübten, in den vergangenen 20 Jahren aber standardisierten – strikten konservativen Therapie der Risikofaktoren der Arteriosklerose zu verdanken. Diese hat nicht nur zu einer Abnahme von arterio-arteriellen Embolien, hämodynamischen Ischämien und einer langsameren – wenn überhaupt – Progredienz des arteriosklerotischen Karotisprozesses beigetragen, sondern auch die Mortalität der Grunderkrankung signifikant verbessert. Wie wichtig eine Optimierung der klassischen Risikofaktoren (Nikotinabstinenz, bestmögliche Bluthochdruck-Behandlung, Lipid-Senker-Medikation, Thrombozytenaggregationshemmung/Antikoagulation und Diabetes-Optimierung), aber auch Veränderungen der Lebensgewohnheiten sind (vermehrte körperliche Aktivität, kognitive Beanspruchung bei reduziertem Stressprofil und moderatem Alkoholkonsum), zeigen jüngste Studien zur Evaluation von obstruierenden Gefäßprozessen der extrakraniellen, aber auch der intrakraniellen hirnversorgenden Arterien, die keine Überlegenheit einer interventionellen Behandlung wegen der unvermeidlichen Komplikationsrate des Eingriffs gegenüber einer bestmöglichen konservativen Therapie belegen konnten.

Im vorliegenden Schwerpunktheft zum Thema Schlaganfall haben Mitarbeiter der Neurologischen Universitätsklinik Mannheim UMM der Universität Heidelberg aktuelles Grundwissen und neue Entwicklungen in 5 Bereichen des Akutmanagements, der Stroke-Unit-Behandlung und der Früh- wie Sekundärprophylaxe zusammengestellt. Sie sollen helfen, sich in der Fülle neuer klinischer Daten aus Studien und Registern zurecht zu finden. Wir haben darauf geachtet, die Grundlagen der Schlaganfall-Phänomenologie gleichwohl zu rekapitulieren und durch ausgewählte neue Akzente aus der täglichen Erfahrung mit etwa 1200 jährlich behandelten Schlaganfall-Patienten und einer der höchsten Thrombolyseraten an den Universitätskliniken in Deutschland in unserem Schlaganfall-Kompetenzzentrum zu ergänzen. Wir hoffen, dass Sie als Leser von klinikarzt Anregungen für Ihre eigene Tätigkeit aus den verschiedenen Beiträgen entnehmen und zum Wohl Ihrer Patienten in der täglichen Arbeit im Krankenhaus, aber auch in der Nachsorge, umsetzen können.