Suchttherapie 2013; 14(01): 46
DOI: 10.1055/s-0032-1333274
Leserbrief
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Publication Date:
13 February 2013 (online)

Caspers-Merk M. Haben die USA den „Krieg gegen Drogen“ verloren? Suchttherapie 2012; 13: 147–148

Frau Caspers-Merk spricht sich in diesem kurzen Essay, das den „Blick über die Grenzen“ schärfen soll, gegen eine Legalisierung von bislang verbotenen Substanzen, auch Cannabis, aus.

Die Autorin ist ein Mitglied der „Global Drug Commission“, die in Caspers-Merks Text auch positiv erwähnt wird. Diese von weiteren hochrangigen Persönlichkeiten besetzte Kommission hat einen Bericht veröffentlicht, den „Global Commission on Drugs Policy Report“, in dem zusammenfassend zwar empfohlen wird, Strategien gegen die Nachfrage nach Drogen zu stärken. Diese seien aber mit einem Verlassen der staatlichen Repressionspolitik hin zu einer staatlichen Regulierung einiger Substanzen nicht zu trennen. Warum spricht sich Frau Caspers-Merk also auf einmal erneut für ein Beibehalten prohibitiver Politik aus?

Frau Caspers-Merk fällt hinter den auch von ihr unterschriebenen Bericht zurück, indem sie auf die Prohibition nur eine unkontrollierte Legalisierung setzt. Diese Versteifung auf die jeden neuen Gedanken tötende Dichotomie Prohibition-Legalisierung blendet alle Möglichkeiten aus, die auf diesem Kontinuum bestehen. Warum sich Frau Caspers-Merk auf ein solches Schwarz-Weiß-Denken zurückzieht ist unverständlich und alles andere als innovativ. Die globale Sicht der Drug Commission wird von einer europäisch-lokalen Kirchturmperspektive ersetzt.

Weiterhin unterliegt die ehemalige Drogenbeauftragte dem Trugschluss, dass der „War on Drugs“ nur eine außenpolitische Dimension beinhaltet. Der „Krieg gegen Drogen“ ist aber ohne eine innere, in der Regel unverhältnismäßige Repression nicht denkbar. Beide Dimensionen legitimieren sich gegenseitig.

Ein Unterschied zwischen ihnen würde zu einer politischen Unglaubwürdigkeit führen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Innenrepression (auch) gegen Konsumenten rabiat vorgeht. Wie schnell kann wegen eines geringfügigen Cannabisbesitzes eine Hausdurchsuchung angeordnet werden, bei der die halbe Wohnung demoliert wird! Zwar zeichnet sich die europäische zur amerikanischen Drogenpolitik in der Regel durch eine stärkere Orientierung in Richtung risk-reduction aus. Allerdings muss der Verelendungsgrad der nordamerikanischen Abhängigen auch mit einem wesentlich dünneren sozialen Netz in Verbindung gebracht werden. Und dennoch: Auch Europa hat seine Verbrechersyndikate, die mit dem Drogenmarkt ein wichtiges Vermögen verdienen. Gegen die mexikanischen Kartelle ­empfiehlt Frau Caspers-Merk eine Abkehr militärischer Logik. Was empfiehlt sie gegen die italienische Camorra oder die N’drangheta? Letztere bestreitet immerhin die Hälfte ihrer Einkünfte aus dem Cannabishandel.

Als einzige empirische Quelle gegen eine Freigabe rekurriert die Verfasserin auf den englischen Opiumhandel in China, der zu einem immensen Konsum mit allen Folgen für die kolonisierten Chinesen führte. An dieser Stelle verschweigt Frau Caspers-Merk die Tatsache, dass England den Chinesen hohe Opiumimporte (militärisch) aufzwang, deren Rohstoffe in Indien und Afghanistan produziert wurden. Bereits damals war China ein großer Markt!

Diese Angebotsschwemme bei einer gleichzeitig nicht möglichen Regulierung auf Seiten der Einheimischen führte eben zum Szenario, das von der Autorin beschrieben wurde. Dies ist aber alles andere als ein akzeptables Legalisierungsmodell. Mehr noch: Das ist überhaupt kein Legalisierungsmodell, da ein demokratisches und diskursives Miteinander gänzlich fehlt! Diese historische Situation, die dann in den sog. Opiumkriegen mündete, ist gekennzeichnet durch eine extreme Machtungleichheit, die eher Ähnlichkeit mit der Prohibition hat. Das ist vielleicht das, was die Autorin unter dem „legalen Raubtierkapitalismus“ gemeint hat. Aber in ihrem Aufsatz hat Frau Casper-Merk selbst die kritisierten Parolen geschwungen, an die sie dann Drogenpolitik misst.

Wer eine gute Zusammenfassung stringenter und innovativer Ideen zu neuen Wegen der Drogenkontrolle kennenlernen möchte, möge sich das „Global Commission on Drugs Policy Report“ zu Rate ziehen. Und zusätzlich könnte man sich mit den Entkriminalisierungserfahrungen in Portugal oder den Niederlanden oder Uruguay auseinandersetzen. Das „Drogenproblem“ erfordert gewissenhaftere und nachhaltigere Strategien der Substanzregulierung als sie in der lavierenden und inkonsistenten Haltung, die im kurzen Text von Frau Caspers-Merk zum Ausdruck kommt, zu finden sind.·

Rossano Della Ripa, Nürnberg