NOTARZT 2013; 29 - A12
DOI: 10.1055/s-0033-1350102

ERC-Leitlinien in der Praxis: Ist die Telefonreanimation in Deutschland umgesetzt?

H Marung 1, J Blau 1, W Lenz 1
  • 1Asklepios Institut für Notfallmedizin, Hamburg

Fragestellung:

Die Empfehlung, dass Leitstellen-Disponenten bei Verdacht auf Reanimation Anrufer zur Durchführung der Herzdruckmassage anleiten sollen, ist eine Kernforderung der ERC-Leitlinien 2010 (1). Erfahrungen mit der Umsetzung von Leitlinien zeigen, dass bis zu deren Umsetzung bis zu zwei Jahre vergehen können. Die Befragung deutscher Ärztlicher Leiter Rettungsdienst sollte Hinweise auf den Stand der Umsetzung geben.

Methodik:

Ein Fragebogen mit 15 überwiegend geschlossenen Fragen wurde anlässlich der Herbsttagung des Bundesverbandes Ärztlicher Leiter Rettungsdienst (BV ÄLRD) im September 2012 in Münster an die Anwesenden Mitglieder verteilt und vor Ort bearbeitet.

Ergebnisse:

Von den Teilnahmeberechtigten ÄLRD (n = 59) nahmen 44 an der Befragung teil (Rücklaufquote 74,6%). Die Einwohnerzahl in diesen Rettungsdienst-Bereichen betrug 19,1 mio, was 23,4% der deutschen Bevölkerung entspricht. In 95,1% der Fälle war der ÄLRD bei der Umsetzung eingebunden. In 63,6% (n = 28) war die Umsetzung der Telefon-Reanimation bereits erfolgt; in 29,6% (n = 13) war sie geplant und in 6,8% der erfassten Leitstellenbereiche (n = 3) auch mittelfristig nicht vorgesehen. Von der Veröffentlichung der Leitlinien bis zur erfolgten Umsetzung waren im Median 17 Monate vergangen. Die Anleitung erfolgt überwiegend (64,7%) in Anlehnung an das Protokoll, das Rea et al. seit den neunziger Jahren in Seattle einsetzen. In 23,5% wurden selbst entwickelte Anleitungen verwendet. Bei im Median 200 Reanimationen pro Jahr und Leitstellenbereich wurden Anrufer in 33 Fällen angeleitet. Nachbesprechungen der Einsätze und Feedback an die Disponenten über das Behandlungsergebnis erfolgten in 71,4% bzw. 64,3% der Rettungsdienstbereiche, allerdings meistens nur anteilig (Spanne 5 bis 100%). 50% der Befragten gaben Probleme im Einführungsprozess an. diese betrafen überwiegend die Bereiche Arbeitsorganisation und Personalentwicklung.

Interpretation:

Die Telefonreanimation als wichtige Methode zur Erhöhung der Laienhelferrate und damit der Überlebensrate nach ausserklinischem Herzkreislaufstillstand ist in den untersuchten Rettungsdienstbereichen 2 Jahre nach Veröffentlichung der Guidelines überwiegend umgesetzt. Allerdings erfolgte zum Zeitpunkt der Befragung erst in jedem 6. Fall eine Anleitung. In der internationalen Literatur liegt dieser Anteil bei bis zu 60%. Gründe könnten die fehlende Erkennung der Reanimationssituation durch den Disponenten, die Verwendung nicht validierter Anleitungen und Defizite bei den begleitenden Qualitätsmanagement-Prozessen sein. Die Entwicklung eines weltweit einheitlichen Algorithmus, wie er für die bereiche BLS und ACLS seit langem etabliert ist, könnte zu einer verbesserten Umsetzung der Telefonreanimation und einem erhöhten Anteil von Ersthelferreanimationen beitragen.

Literatur:

Nolan JP et al. European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2010 Section 1. Resuscitation 2010; 81: 1219–1276