Suchttherapie 2013; 14 - PL_2
DOI: 10.1055/s-0033-1351397

Evidenzbasierung in der Suchthilfe – Zur Lückenhaftigkeit ‚güldener‘ Standards

G Hölter 1
  • 1TU Dortmund, Fakultät Rehawissenschaften

Leitlinien und Behandlungsempfehlungen für zahlreiche Bereiche der medizinischen und psychotherapeutischen Versorgung lassen sich heutzutage vor allem durch ihre Forderung nach Evidenzbasierung charakterisieren. Der vor über 20 Jahren von einer kanadischen Forschergruppe um den Mediziner D.L. Sackett geprägte Begriff wurde in Deutschland vor allem als sog. ‚externe Evidenz‘ interpretiert und der ‚Goldstandard‘ als dominierende Richtschnur für therapeutische Entscheidungen deklariert. Dabei ist die nationale und internationale Diskussion um die Evidenzbasierung vielfältiger und kritischer als es manche forschen Leitlinienempfehlungen hierzulande vermuten lassen. Wesentliche Kritikpunkte beziehen sich u.a. auf das System der Evidenzgraduierung mit einer weitgehend randständigen Bewertung von qualitativen Studien und klinischer Erfahrung sowie um eine Übertragung von möglicherweise für die Organmedizin gültigen Standards auf die Evaluation von psychotherapeutisch und psychosozial orientierten Interventionsformen. Für eine wissenschaftliche Fundierung der Suchthilfe lohnt sich m.E. zum einen der Blick über den Tellerrand der evidenzbasierten Medizin (EbM) hinaus in Richtung auf Konzepte der evidenzbasierten Praxis (EbP) bzw. zum andern ein Abwarten auf die nächste Welle anglophon geprägter Modelle der Wissenschaftlichkeit, die sich schon durch die Veröffentlichung von H.D. Braude (2012) zur ‚Intuition in Medicine‘ andeutet.