Suchttherapie 2013; 14 - S_18_4
DOI: 10.1055/s-0033-1351475

Sensomotorische und multisensorische Aspekte der Nikotinsucht

Y Yalachkov 1, J Kaiser 1, MJ Naumer 1
  • 1Goethe-Universität Frankfurt

Einleitung: In den letzten Jahren sind die Hirn- und Verhaltensgrundlagen der Nikotinsucht Gegenstand intensiver Forschung gewesen. Allerdings haben sensomotorische und multisensorische Aspekte des Rauchens vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit bekommen, obwohl es Evidenz gibt, dass die Aktivität in den mit diesen Aspekten assoziierten Hirnregionen wichtige klinische Variablen wie Craving sowie Therapieerfolg widerspiegeln.

Methode: Im Rahmen unterschiedlicher Verhaltensparadigmen wurden Rauchern und Nichtrauchern rauchenassoziierte und neutrale Reize präsentiert, während ihre Hirnaktivität mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) aufgenommen wurde. Die bildgebenden Methoden wurden ergänzt durch eine meta-analytische Auswertung publizierter Suchtstudien.

Diskussion/Ergebnisse: Unsere Ergebnisse zeigen, dass der prämotorische Kortex (PMC), superiore Parietallappen (SPL) und inferiore temporale Kortex (ITC), die für die Repräsentation von sensomotorischen Fertigkeiten und Handlungswissen zuständig sind, bei Rauchern den Schweregrad ihrer Nikotinabhängigkeit sowie die Tendenz für automatisierte Verhaltensreaktionen auf rauchenbezogene Reize widerspiegeln. Außerdem fanden wir, dass im dorsalen Striatum haptische Rauchreize ein stärker ausgeprägtes Aktivierungsmuster als visuelle Stimuli hervorrufen. Die meta-analytische Auswertung zeigte, dass Bildgebungsstudien, bei denen Reize in zwei oder mehr sensorischen Modalitäten dargeboten werden, häufiger Korrelationen zwischen Hirnaktivität und klinischen Variablen wie z.B. Craving berichtet haben als solche, bei denen nur visuelle Stimuli zum Einsatz kamen.

Schlussfolgerung: Die berichteten Befunde weisen darauf hin, dass die durch rauchenassoziierte Reize ausgelöste Aktivität in sensomotorischen Regionen wie PMC, SPL und ITC das Hirnkorrelat automatisierter Handlungsschemata bei Rauchern darstellt. Weiterhin können Rauchreize, die in der haptischen Modalität dargeboten werden, das dorsale Striatum stärker aktivieren als visuelle Reize. Dies ist möglicherweise auf die enge Kopplung zwischen der haptischen Wahrnehmung und der Initiierung einer automatisierten Handlung zurückzuführen. Schließlich scheint der Einsatz multisensorischer Stimuli in Bildgebungsstudien besonders empfehlenswert zu sein, da die dadurch erhöhte ökologische Validität der Reizdarbietung zu einer leichteren Aufdeckung von Korrelationen zwischen klinischen Variablen und Hirnaktivierung führt.