Suchttherapie 2013; 14 - P39
DOI: 10.1055/s-0033-1351645

Rehabilitationsbedarf bei Abhängigkeitsstörungen: Klinische Erprobung eines ICF-basierten Screenings

C Seeliger 1, L Rupp 1, L Dönges 1
  • 1Kliniken Wied, Wied Bei Hachenburg

Einleitung: Die International Classification of Functioning (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gewinnt in der medizinischen Rehabilitation in Deutschland und insbesondere auch in den Konzepten der Behandlung von Menschen mit Abhängigkeitsstörungen zunehmend an Bedeutung. Das Gedankengut der ICF betont hierbei – neben krankheitsbezogenen Beeinträchtigungen – vor allem Teilhabe und Kontextaspekte und ist insofern für den Auftrag der Wiedereingliederung in Beruf, Arbeitsplatz und Gesellschaft besonders fruchtbar. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz (MDK RLP) hat im Rahmen eines Projekts zur individualisierten Rehabilitation Abhängigkeitskranker (Phasenmodell) ein Schema zur Einschätzung des Behandlungsbedarfs auf Basis der ICF-Nomenklatur vorgestellt. In einer 2wöchigen Diagnostikphase werden RehabilitandInnen der gesetzlichen Krankenversicherung stationär hinsichtlich ihres Reha-Bedarfes anhand des ICF-Screenings eingeschätzt, um dann in einer zweiten (4wöchigen Basisrehabilitation) und dritten (bis zu 9wöchigen erweiterten Rehabilitation) Phase weiterführend behandelt zu werden.

Methode: In dieser Pilotstudie werden drei Patientengruppen bezüglich ihrer jeweiligen Ausprägung des ICF-Screening-Wertes und eines Schweregradindex zur Abschätzung des Behandlungsbedarfs verglichen: NEG = 15 PatientInnen aus dem Phasenmodell; NKG1 = 15 aus der Stationären Reha-Abklärung (SRA); NKG2 = 15 RehabilitandInnen, die sich einer regulären („treatment as usual“) stationären Rehabilitationsmaßnahme (Leistungszusage des zuständigen Rentenversi-cherers). Die drei Gruppen wurden hinsichtlich Alter, Geschlecht und Hauptdiagnose paralle-lisiert. Neben dem Vergleich der ICF-Screening-Werte und des Schweregradwertes interessieren auch Wirksamkeitskriterien wie z.B. Art der Behandlungsbeendigung oder Verlaufscha-rakteristika der Behandlung.

Diskussion/Ergebnisse: Die MANOVA zu IFC-Werten und Schweregradindex zeigte zwischen den Gruppen Haupteffekte bezüglich der Funktionsstörungen, Aktivitäten-, Ressourcen und der Teilhabewerte, aber keine Interaktionseffekte. Reha- und Phasenmodellpatienten unterscheiden sich ebenfalls signifikant bzgl. dieser Werte mit der Tendenz zur Signifikanz für den Wert Umwelt. Die nach ICF empfohlene Behandlungsdauer unterscheidet sich signifikant zwischen Rehapatienten auf der einen und SRA und Modellpatienten auf der anderen Seite

Schlussfolgerung: Das ICF-Screening bringt zusätzliche Informationen zur Einschätzung des Reha-Bedarfs und zeigt klinisch plausible Unterschiede zwischen den untersuchten Gruppen. Insbesondere die Modellphasenpatienten zeigen einen deutlich erhöhten Reha-Bedarf gegenüber sowohl den SRA- als auch den Reha-Patienten.