Einleitung: In Anbetracht der demographischen Entwicklung ist die Gesundheitsentwicklung in der
älteren Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung
steht die Morbiditätskompressionshypothese nach James F. Fries. Sie besagt, dass die
Lebenszeit in guter Gesundheit steigt, während sich die mit chronischen Erkrankungen
und Behinderungen verbrachte Zeit langfristig verkürzt. Schwere Erkrankungen treten
vor allem unmittelbar vor dem Tod auf. Bisherige Studien unterstützen diese Annahme,
jedoch ist wenig erforscht, ob sich soziale Unterschiede in der Entwicklung der Gesundheit
in der älteren Bevölkerung zeigen. Daten/Methodik: Beginnend mit dem Jahr 1992 werden die Daten des Sozioökonomischen Panels Deutschland
(GSOEP) für die ältere Bevölkerung (65 bis 89 Jahre) in regelmäßigen zeitlichen Abständen
bis zum Jahr 2010 im Querschnittsvergleich untersucht. Als Gesundheitsindikator wird
die subjektive Gesundheit betrachtet. Folgende Fragen stehen hierbei im Mittelpunkt:
Wie entwickelt sich die (sehr) gute subjektive Gesundheit in der älteren Bevölkerung
über die Zeit? Unterscheiden sich diese Entwicklungsverläufe in Abhängigkeit vom sozialen
Status (schulische Bildung, beruflicher Abschluss, Einkommen)? Welche weiterführenden
Ungleichheitsdimensionen haben einen Einfluss auf eine (sehr) gute subjektive Gesundheitseinschätzung
im Alter? Um diese Fragen zu beantworten, wurden neben deskriptiven Analysen binäre
logistische Regressionsanalysen durchgeführt. Ergebnisse: Im Jahr 1992 schätzen 21,4% (n = 338) der Befragten ihre Gesundheit als (sehr) gut
ein. Bis zum Jahr 2010 vergrößert sich der Anteil dieser Gruppe auf 25,7% (n = 811).
Diese Entwicklung zeigt sich bei beiden Geschlechtern, wobei Frauen ihre Gesundheit
insgesamt schlechter einschätzen als Männer. Zu jedem Zeitpunkt sind signifikante
Unterschiede zwischen den einzelnen sozioökonomischen Gruppen erkennbar. Der Anteil
der Personen mit einer (sehr) guten Gesundheit ist in der höchsten Statusgruppe jeweils
am größten. Über die Zeit vergrößert sich die gesundheitliche Ungleichheit. Hierbei
zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede in der Bedeutung der Sozialindikatoren.
Während sich bei Frauen mit einem hohen Einkommen die Gesundheit deutlich verbessert,
bleibt der Anteil derjenigen mit einer (sehr) guten Gesundheit bei Frauen mit einem
geringen Einkommen im zeitlichen Verlauf nahezu konstant. Bei Männern ist ein deutlicher
Zusammenhang zwischen dem beruflichen Abschluss und der gesundheitlichen Ungleichheit
erkennbar. Zentrale Einflussfaktoren für eine (sehr) gute Gesundheit sind das Alter,
der berufliche Abschluss sowie die sportliche Aktivität. Bei Männern hat zudem ein
hohes Einkommen, bei Frauen eine hohe schulische Bildung einen positiven Effekt auf
die Gesundheit. Diskussion/Schlussfolgerung: Insgesamt zeigen die Ergebnisse eine Verbesserung der subjektiven Gesundheit in der
älteren Bevölkerung. Allerdings profitieren nicht alle sozialen Gruppen von dieser
Entwicklung, da sich die gesundheitliche Ungleichheit über die Zeit vergrößert. Mit
Bezug auf die Hypothese der Morbiditätskompression ist festzuhalten, dass diese nicht
für die Gesamtbevölkerung, sondern nach Geschlecht und sozialem Status stratifiziert
untersucht werden sollte.