Laryngorhinootologie 2013; 92(12): 857-865
DOI: 10.1055/s-0033-1358395
Operative Techniken
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Symptombezogene, realistische Ziele chirurgischer Eingriffe bei Patienten mit Rhinosinusitis

Further Information

Publication History

Publication Date:
27 November 2013 (online)

Wie kann der erkrankten Schleimhaut mit ­chirurgischen Maßnahmen geholfen werden?

Viele Veränderungen in der Nasenhöhle und in den Nebenhöhlen sind auf Schleimhauterkrankungen zurückzuführen, die mit einer verstärkten Produktion von Entzündungsmediatoren oder einer herabgesetzten Immunität einhergehen. Es kann eine genetische Prädisposition vorliegen, z. B. eine Atopie und eine allergische Rhinitis – oder seltener – eine angeborene Immunschwäche. Häufig liegen jedoch schwer verständliche entzündliche Veränderungen vor, z. B. spät einsetzendes Asthma und Polyposis nasi ([Tab. 1]).

Tab. 1 Ziele der Chirurgie und symptombezogene realistische Erwartungen bei chronischer Rhinosinusitis.

Pathologie

Ziele

Symptombezogene realistische Erwartungen

chronische bakterielle Rhinosinusitis (resistent gegenüber medikamentöser Therapie)

Verbesserung der mukoziliären Clearance und ­Sinusbelüftung, Ermöglichen der Nasenspülung

Obstruktion: hilfreich Geruch: bei teilweisem Verlust oft ­hilfreich Schleimhaut: Schleim wird klar, verschwindet aber evtl. nicht Druck oder Schmerz:

hilfreich, wenn ein Zusammenhang mit den o. g. ­Symptomen besteht

erneute Verschlechterung bei purulenten Episoden und Verbesserung, wenn nach Antibiose nicht purulent

rezidivierende akute, bakterielle Rhinosinusitis (endoskopische Bestätigung wenigstens einer Episode)

Verbesserung der mukoziliärer Clearance und Sinusbelüftung und damit Schaffung schlechterer Bedingungen für den Unterhalt einer Entzündung

Obstruktion: kein assoziiertes Symptom Geruchsstörung: kein assoziiertes Symptom Mukus: kein assoziiertes Symptom Druck oder Schmerz: hilfreich, aber Vorsicht, da viele Arten des Gesichtsschmerzes und Drucks nicht durch eine Rhinosinusitis bedingt sind; gute, objektive Befunde am besten durch Endoskopie oder CT (selbst dann hat 1 von 3 asymptomatischen Personen Veränderungen im CT!)

Pilzrhinosinusitis

Verbesserung von mukoziliärer Clearance und ­Sinusbelüftung sowie Veränderung der Umgebung, um weniger günstige Bedingungen für Pathogene zu schaffen

bei invasiver Form evtl. Entfernung erkrankten Gewebes plus antimykotische Therapie

Obstruktion: hilfreich Geruch: hilfreich, wenn mit Polyposis assoziiert Mukus: einer der wenigen Umstände, wo Chirurgie gewöhnlich die Mukusproduktion reduziert Druck oder Schmerz: ungewöhnliches Merkmal einer Pilzinfektion

Polyposis nasi und idiopathische Rhinitis

Entfernung der erkrankten Schleimhaut

Reduzierung der Schleimhautoberfläche

Unterstützung des Zugangs für Spülungen und medikamentöse topische, endonasale Therapie

Obstruktion: hilfreich, langsam progrediente Rückkehr der Symptome nach durchschnittlich 4 Jahren möglich Geruch: Verbesserung in 70%, aber oft nur für weniger als 6 Monate; bei Eröffnung der Riechspalte (s. Text) sind die Resultate wesentlich besser Mukus: oft enttäuschend Druck und Schmerz: selten mit Polyposis assoziiert

Polyposis assoziiert mit spät einsetzendem Asthma

Reduzierung der Schleimhautoberfläche

Reduzierung des Mukosa-Mukosa-Kontakts

Wiederherstellung der mukoziliären Clearance

Unterstützung des Zugangs für topische ­endonasale Therapie

Obstruktion: hilfreich Geruch: Verbesserung in 70%, aber nur für weniger als 6 Monate; werden die Siebbeinzellen entfernt, um die Lateralisation der mittleren Muschel zu ermöglichen, zusätzliche Verbesserung bezüglich Qualität und Dauer Mukus: inkonsistent Druck oder Schmerz: seltenes Symptom

Polyposis assoziiert mit Asthma und Aspirinsensitivität

Abtragen des erkrankten Gewebes und Reduzierung der Oberfläche, aus der Polypen entstehen

Obstruktion: hilfreich, aber Verbesserung oft nur für 1–2 Jahre Geruch: oft enttäuschend Schleim: enttäuschend Druck oder Schmerz: seltenes Symptom

Polyposis assoziiert mit purulenter Erkrankung

Wiederherstellung der mukoziliären Clearance

Reduzierung der Schleimhautoberfläche

Belüftung der Nasennebenhöhlen

Obstruktion: gut Geruch: gut Schleim: gut Druck oder Schmerz: gut

Polyposis assoziiert mit zystischer Fibrose

Abtragung erkrankten Gewebes

Reduzierung der Schleimhautoberfläche

Wiederherstellung der mukoziliären Clearance

Erleichterung des Zugangs für Spülungen und topische endonasale Therapie

Obstruktion: gut, aber oft nicht länger als 1 Jahr Geruch: schlecht Schleim: keine Verbesserung – erfordert regelmäßige Spülungen Druck oder Schmerz: selten ein Symptom

Die Chirurgie kann viele von der zugrunde liegenden Pathologie abhängige Ziele ([Abb. 1]) haben:

Zoom Image
Abb. 1 a, b Ansichten vor und nach einer Sphenoethmoidektomie – demonstrieren viele der im Text aufgelisteten Ziele.
  • Eröffnung der Nebenhöhlenostien zur Wiederherstellung der mukoziliären Funktion

  • Entfernung erkrankten Gewebes zur Verringerung der nasalen Obstruktion

  • verbesserte endonasale Applikation der topischen Medikamente auf die erkrankten Schleimhäute, besonders in den Nebenhöhlen

  • Reduzierung von entzündlich veränderten Schleimhautarealen, die nach topischer Therapie persistieren, z. B. von Polypen

  • Eröffnung der Riechspalte zur Verbesserung des Geruchssinns

  • Entfernung gutartiger Veränderungen (die Behandlung invertierter Papillome erfordert eine besondere Qualifizierung – siehe später unter „Sonderfälle“)

  • Entfernung von Fremdkörpern aus den Nebenhöhlen, z. B. einer Zahnwurzel aus dem Sinus maxillaris oder einer saprophytären Aspergillose

  • Reduzierung von Mukosa-Mukosa-Kontaktflächen: manche Autoren sehen in diesen einen ätiologischen Faktor in der Polypenentstehung; die Beseitigung von Kontaktstellen verbessert auch die mukoziliäre Clearance

  • Entfernung knöcherner anatomischer Varianten, die Obstruktionen der Luftwege verursachen, z. B. eine über­große Concha bullosa.