Z Gastroenterol 2014; 52(1): 21
DOI: 10.1055/s-0033-1362155
Nachruf
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nachruf auf Prof. Dr. Martin Zeitz (1950–2013)

Britta Siegmund
,
Markus M. Lerch
,
Andreas Stallmach
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Publication History

Publication Date:
14 January 2014 (online)

‚Nicht das Freuen, nicht das Leiden, stellt den Wert des Lebens dar, immer nur wird das entscheiden, was der Mensch den Menschen war.‘

Ludwig Uhland

Am 26. November 2013 verstarb Prof. Dr. Martin Zeitz im Alter von 63 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit. Der national und international renommierte Arzt und Wissenschaftler hatte erst im Oktober 2012 die Leitung des Universitätsklinikums Eppendorf als Ärztlicher Direktor übernommen.

Martin Zeitz, 1950 in Driedorf im Westerwald geboren, studierte nach dem Abitur zunächst Mathematik und Physik an der Universität Marburg, bevor er 1969 sein Medizinstudium an der Freien Universität Berlin aufnahm. Nach Abschluss seiner Promotion zum Kollagenstoffwechsel 1977 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter von Hans Herken am Institut für Pharmakologie der FU. 1979 wechselte er dann in die Klinik und begann seine Ausbildung als Assistenzarzt von Ernst-Otto Riecken an der Medizinischen Klinik I des Klinikums Steglitz. Von 1985 bis 1987 folgte ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderter Aufenthalt in der Arbeitsgruppe von Warren Strober an der Mucosal Immunity Section des National Institutes of Health in Bethesda, MD. Die Immunologie der Schleimhäute (mucosal immunology), mit der er sich in dieser Zeit intensiv beschäftigte, wurde zu seinem lebenslangen wissenschaftlichen Schwerpunkt und prägte seinen späteren Werdegang als Arzt und Wissenschaftler. Nach seiner Rückkehr an die Riecken’sche Klinik folgte der Abschluss der Facharztweiterbildung zum Internisten und Gastroenterologen, die Habilitation an der Freien Universität im Jahr 1989, seine Tätigkeit als Oberarzt am Steglitzer Klinikum und 1993 die Verleihung einer außerplanmäßigen Professur. Im Jahr 1994 folgte Martin Zeitz dem Ruf auf ein Ordinariat für Innere Medizin an die Universität des Saarlandes und er übernahm die Leitung der Klinik für Innere Medizin II mit den Schwerpunkten Gastroenterologie / Hepatologie, Endokrinologie und Stoffwechsel der Universitätskliniken in Homburg. 2001 kehrte er nach Berlin zurück, nahm den Ruf auf die Nachfolge seines Mentors E.O. Riecken an die Freie Universität an und übernahm die Leitung der Medizinischen Klinik I mit den Schwerpunkten Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie. Es folgte im Jahre 2003 der Zusammenschluss aller Einrichtungen der Berliner Humanmedizin und die Steglitzer Klinik am Campus Benjamin Franklin wurde Teil der Charité – Universitätsmedizin Berlin. In dieser neuen Struktur leitete Martin Zeitz von 2006 bis September 2012 das Zentrum für Magen-, Darm-, Nieren- und Stoffwechselmedizin bevor er als Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Eppendorf nach Hamburg wechselte. Auch hier folgte er zielstrebig und erfolgreich seinen Visionen, die er u. a. mit der Einrichtung des Transplantationszentrums und eines ‚Zentrums für seltene Erkrankungen‘ umsetzen konnte. Interdisziplinarität, aber auch die Aus- und Weiterbildung von Studierenden und Ärzten waren ihm dabei ein besonderes Anliegen.

Die klinische und wissenschaftliche Karriere von Martin Zeitz war außerordentlich erfolgreich. Es würde nicht seinem zurückhaltenden Charakter entsprechen an dieser Stelle alle seine Leistungen und Ehrungen aufzulisten. Um seinem nachhaltigen Wirken gerecht zu werden seien aber einige der Strukturen erwähnt, die er in Klinik und Forschung aufgebaut und hinterlassen hat. Gemeinsam mit den Zentren in Kiel, Regensburg und Tübingen wurde noch von Homburg aus das Projekt ‚MedNet Chronisch entzündliche Darmerkrankungen‘ beantragt und vom BMBF bewilligt. Aus diesem hat sich das ‚Kompetenznetz chronische Darmerkrankungen‘ entwickelt. In Berlin gelang es Martin Zeitz feste Strukturen für den Schwerpunkt mukosale Immunologie aufzubauen, zunächst 2002 als Klinische Forschergruppe der DFG zum Thema ‚Immunpathogenese und Interventionstrategien bei mukosalen Infektionen‘. Aufbauend auf dieser Grundstruktur folgte 2003 der von ihm geleitete DFG-Sonderforschungsbereich 633 ‚Induktion und Modulation T-zellvermittelter Immunreaktionen im Gastrointestinaltrakt‘, der sich heute in der dritten Förderperiode befindet. Neben dieser wissenschaftlichen Schwerpunktsetzung war Martin Zeitz Sprecher des Fachkollegiums Medizin und seiner Sektion Entzündungsforschung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Präsident mehrerer nationaler und internationaler Fachgesellschaften und wurde 2013 zum Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften – Leopoldina gewählt. Wenige haben die Verbindung von klinischer und grundlagennaher Forschung so erfolgreich gelebt wie Martin Zeitz, ein Entwurf der neudeutsch als ‚physician scientist‘ bezeichnet wird, bei jüngeren Medizinern zunehmend aus der Mode kommt, und im Berlin des frühen 19ten Jahrhunderts weltweit erstmals konsequent realisiert wurde. Die Integration von immunologischer Grundlagenforschung mit experimentellen Modellsystemen zur Entstehung chronischer Darmerkrankungen und dem Ziel einer Verbesserung der Patientenbehandlung war Martin Zeitz eine wirkliche Herzensangelegenheit. Dabei war ihm die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses immer ein besonderes Anliegen, was die Autoren dieses Nachrufs dankbar erfahren durften. Als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten richtete er zur Jahrestagung 2008 ein Forum für den wissenschaftlichen Nachwuchs ein; eine so erfolgreiche Initiative, dass sie seitdem ein fester Bestandteil unserer DGVS-Jahrestagung wurde.

Martin Zeitz war ein besonderer Mensch, leise und zielorientiert. Er war scharf in seiner Analyse und blieb dabei stets konsensorientiert. In Kontroversen zählten nie Position oder Status des gegenüber, sondern immer nur die Kraft der Argumente. Er gestaltete über die Grenzen von Berufsgruppen hinaus und lies gestalten. Durch den Tod von Martin Zeitz verlieren wir auch einen herausragenden Arzt, der seinen Patienten immer empathisch zugewandt war und durch seinen großen klinischen Sachverstand Kollegen und Studierende tief beeindruckte. Seine wissenschaftliche Neugier, die Faszination am wissenschaftlichen Arbeiten, sowie die Frage nach dem ‚Warum‘ im klinischen Alltag bestimmten sein Selbstbild als Arzt und Wissenschaftler und wurden mit freundlichem Nachdruck an seine Schüler weitergegeben. Unsere Fachgesellschaft hat mit dem frühen Tod von Martin Zeitz nicht nur ein wissenschaftlich herausragendes Mitglied sondern auch einen ihrer Gestalter verloren. Die DGVS trauert um einen liebenswerten Menschen und Kollegen, Ehemann, Familienvater und Großvater den wir in ehrender Erinnerung behalten werden.