Z Gastroenterol 2014; 52(6): 616
DOI: 10.1055/s-0033-1362551
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Ambulante Gastroenterologie – Keine Chance für den medizinischen Fortschritt?

Franz Josef Heil
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Publication Date:
23 June 2014 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor etwa 25 bis 30 Jahren haben fachärztliche Internisten begonnen, sich aus den Kliniken in die Niederlassung zu wagen. Mit hoher fachlicher Kompetenz und teurer technischer Ausstattung bildete sich in den nächsten Jahren ein flächendeckendes Netz fachinternistischer Praxen. Die Folgen sind nicht nur in der Gastroenterologie unübersehbar. In vielen Teilgebieten ist die Innere Medizin ein ambulantes Fach geworden. Die Tatsache, dass die fachärztlichen Internisten zu den Fachgruppen mit den überdurchschnittlich hohen Praxisumsätzen gehören, hängt natürlich mit ihrer Spezialisierung und ihrer innovativen Kraft zusammen.

Aber die Medizin und vor allem auch die Medizintechnik haben sich rasant weiterentwickelt. Die fachliche Kompetenz der niedergelassenen Internisten ist ohne Zweifel unverändert hoch. Die Einführung von moderner Medizintechnik in die Praxen aber wird immer schwieriger. Neue Untersuchungsmethoden werden gar nicht oder nur mit großen Verzögerungen in den Leistungskatalog der GKV eingeführt. Die Dünndarmkapselendoskopie ist ein gutes Beispiel.

Obwohl die Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung bereits vor über 2,5 Jahren im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde, wenn auch nur mit sehr eingeschränkter Indikation, ist bis heute keine EBM-Bewertung erfolgt. Egal, ob man das wegen der zu befürchtenden Abwertung gegenüber der GOÄ-Abrechnung begrüßt oder nicht, zeigt es die Problematik auf, nämlich die Unfähigkeit oder den Unwillen des GKV-Systems, medizinische Innovationen aufzunehmen. Unter dem Vorwand, dass neue Methoden nur gegen neues Geld eingeführt werden dürfen, dieses Geld aber nicht zur Verfügung gestellt werden könne, veraltet die Medizin in der Praxis.

Während es im stationären Bereich nur einen Verbotsvorbehalt für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gibt und über das NUB-Verfahren die Finanzierung von neuen Methoden im DRG-System in absehbarer Frist erreicht werden kann, wird die Lücke zwischen ambulanter und stationärer Behandlung immer größer.

Wie geht es weiter? Wird durch diese Situation die ambulante Gastroenterologie verkümmern und langsam aber sicher wieder aussterben? Oder werden neue Versorgungsformen wie die ASV die Lösung sein? Das erste kann niemand ernsthaft wollen. Die Verlagerung von Leistungen aus der Praxis in die Krankenhausambulanz ist kein sinnvoller, auch kein finanzierbarer Weg. Neue Versorgungsformen wie die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) bieten zwar Perspektiven. Die schwierige und zögerliche Einführung der ASV und das bisher völlige Fehlen neuer Vergütungsstrukturen außerhalb des EBM lassen aber berechtigte Zweifel aufkommen, dass hier eine zeitnahe Lösung zu erwarten ist, wenn man von einigen ausgewählten Indikationen absieht.

Der bng hat ein Schreiben an die KBV geschickt mit einer Liste von im EBM fehlenden gastroenterologischen Leistungen mit der Aufforderung, dass sich die KBV für deren Aufnahme in den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen einsetzt. Solange nämlich jeder Fortschritt, jede neue Methode nicht eingeführt wird, weil die Kassen die Kostenübernahme verweigern, andererseits die Durchführung und Finanzierung von modernen Methoden als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) aggressiv diffamiert wird, solange ist die ambulante Medizin auf einer Talfahrt. Wir werden daran arbeiten, dass endlich ein Umlenken erreicht wird, damit die ambulante Medizin nicht auf einem veralteten Stand verharrt und Stück für Stück vom medizinischen Fortschritt abgehängt wird.


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