Z Geburtshilfe Neonatol 2014; 218(3): 97
DOI: 10.1055/s-0033-1362603
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Neonatologie
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Nekrotisierende Enterocolitis – Lactobacillus reuteri zur Prävention der NEC bei Frühgeborenen

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Publication Date:
23 July 2014 (online)

Hintergrund: Unreife Frühgeborene und Kinder mit sehr niedrigem Geburtsgewicht haben ein hohes Risiko eine Nekrotisierende Enterocolitis (NEC) zu entwickeln. Prädisponierend wirken die intestinale Unreife sowie die Gabe von Säuglingsnahrung. Auch eine überschießende inflammatorische Reaktion der intestinalen Epithelbarriere auf luminale Mikroorganismen wird als Ursache diskutiert. Probiotika, d. h. Mikroorganismen der Darmflora, stärken die lokale und systemische Immunität, führen zu einer Zunahme antiinflammatorischer Zytokine und etablieren eine Barrierefunktion gegen die transmukosale Bakterienmigration. Lactobacillus reuteri (L. reuteri) ist ein natürlicherweise beim Menschen vorkommender protektiver Mikroorganismus mit immunmodulatorischen und bakteriziden Eigenschaften.

Methoden: In die prospektive doppelblinde randomisierte placebokontrollierte Studie an einer großen neonatologischen Intensivstation in Ankara / Türkei wurden zwischen Februar 2012 und Februar 2013 400 Frühgeborene mit einem Gestationsalter ≤ 32 SSW und einem Geburtsgewicht ≤ 1500 g eingeschlossen. Die Kinder der Probiotika-Gruppe (n = 200) erhielten mit Beginn der ersten Nahrungsgabe bis zur Klinikentlassung einmal täglich 5 Tropfen (1 x 108 CFU) einer lyophilisierten Suspension von L. reuteri in Muttermilch bzw. Frühgeborenen-Nahrung oral bzw. über eine Magensonde. Die Kinder der Placebogruppe (n = 200) erhielten lediglich die Trägerflüssigkeit. Primäre Endpunkte waren die Entwicklung einer NEC ≥ Stadium 2 und / oder Tod nach dem 7. Lebenstag. Sekundäre Endpunkte umfassten die kulturpositive Sepsis, die Nahrungsunverträglichkeit, die Zeit bis zum Erreichen der vollständigen enteralen Ernährung sowie die Hospitalisationsdauer.

Ergebnisse: Es fanden sich weder statistisch signifikante Unterschiede zwischen der Probiotika- und der Placebogruppe in der NEC- oder Mortalitätsrate (10 % vs. 13,5 %; RR 1,4; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,76-2,59; p = 0,27) noch in der Häufigkeit für jedes der Einzelereignisse (Tod: RR 1,37; 95 %-KI 0,68-2,76; NEC: 4 % vs. 5 %; RR 1,26; 95 %-KI 0,48-3,27; p = 0,63). Die Inzidenz von Todesfällen aufgrund NEC war in beiden Gruppen ebenfalls ähnlich (3/200 vs. 4/200 Kinder; p = 0,50). Das mediane Alter bei NEC-Diagnose war in der Placebogruppe niedriger, jedoch ebenfalls nicht signifikant (19 (14–48) vs. 25 (14–41) d; p = 0,47). Die Häufigkeit kulturpositiver Sepsis-Fälle war hingegen in der Probiotika-Gruppe signifikant geringer (6,5 % vs. 12,5 %; RR 2,05; 95 %-KI 1,01-4.14; p = 0,041). Nahrungsunverträglichkeit trat in der Probiotika-Gruppe signifikant seltener auf (28 % vs. 39,5 %; p = 0,015). Bei den mit L. reuteri versorgten Kindern waren zudem die Zeit bis zur vollständigen enteralen Ernährung (9,1 ± 3,2 vs. 10,1 ± 4,3 d; p = 0,006) sowie die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus (38 (10–131) vs. 46 (10–180) d; p = 0,022) signifikant kürzer.

Fazit

Die orale Supplementation mit L. reuteri beeinflusste nicht die Gesamtraten von NEC und / oder Tod bei Frühgeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht. Dies führen Oncel et al. auf die Verwendung eines einzigen Bakterienstamms sowie die relativ geringe Dosis zurück. Es fanden sich jedoch im untersuchten Kollektiv signifikant weniger Sepsis-Fälle und – vermutlich aufgrund einer Steigerung der gastrointestinalen Motilität – weniger Nahrungsunverträglichkeiten sowie kürzere Hospitalisationen.

Dr. Christian Weber, Künzell