JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2014; 3(01): 6-7
DOI: 10.1055/s-0034-1367689
Kolumne
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Immer schön up to date sein!

Heidi Günther
Further Information

Publication History

Publication Date:
06 February 2014 (online)

Nichts ist so beständig wie der Wandel (Heraklit)

Als ich jung war, liebte ich meinen Parka, meine Schlaghosen und meine Umhängetasche mit den langen Fransen. Ich wechselte häufig Farbe und Schnitt meiner dauergewellten Haare, und die Farbe meines Lidschattens war, vorsichtig ausgedrückt, sehr dominant. Meine Eltern mussten Nerven zeigen, aber ich war mit meinem Outfit voll im Trend.

Als ich meinen Sohn bekam, musste der modernste Kinderwagen her. Dieser war nostalgisch gehalten. Korbschale, Cordverdeck und riesengroße Räder. Damals sündhaft teuer, aber der letzte Schrei. Zu dieser Zeit bin ich dann aber doch einmal gegen den Strom geschwommen. Während damals für einen Jungen die Namen Benjamin, Robert oder Sven groß in Mode waren, habe ich mit meinem Fritz für einigermaßen Aufregung gesorgt. Selbst meine beste Freundin, deren Sohn übrigens Maik heißt, hat ein bisschen ungläubig geschaut. Auch meine Erklärungen über Familientraditionen – mein Vater und mein Bruder heißen Fritz – machten meine Namensfindung für das Kind in den Augen meiner Mitmenschen nicht besser. Aber im Laufe der letzten 30 Jahre haben sich hoffentlich alle beruhigt und mein Fritz lebt sehr gut mit seinem Namen.

Waren auf einer Party – und wir haben viel gefeiert – mal Mettigel und Toast Hawaii, viel zu süße Bowle oder billiger Wermut voll im Trend, sind es heute Fingerfood, Sushi und Aperol Spritz oder Hugo.

So könnte ich alle verschiedenen Phasen meines Lebens anhand bestimmter Trends beschreiben und erinnern. Wir werden von ständig wechselnden Modeerscheinungen und Entwicklungen begleitet und beeinflusst. Das ist auch gut so. Zum Glück zwingt uns ja nichts und niemand, immer alle Trends mitzumachen. Hätte ich das getan, wäre ich jetzt eine Frau in den besten Jahren, tätowiert und gepierct von Kopf bis Fuß, mit Permanent-Make-up im Gesicht, in einer Hand ein Buch, in der anderen ein Kindle, in einem Ohr der Ohrhörer von einem iPod, im anderen der eines CD-Players. Ich hätte 1,4 Kinder, wäre zum zweiten Mal verheiratet und würde mich mit Aussteigerideen rumplagen. Dann würde ich auch noch 168 Minuten am Tag vor dem Fernsehgerät sitzen – nach meiner Arbeit, versteht sich. Natürlich sehe ich die seit den 1990ern total trendigen Kochsendungen oder aber die fast unerträglichen Realitay-Shows. Dann müsste ich in meinen ohnehin schon vollgestopften Tag noch eine Runde Pilates oder Zumba quetschen und danach noch schnell in den Bio-Laden laufen, damit ich am Abend – natürlich dem Rezept meiner aktuellen Diät entsprechend – kochen kann. Gott sei Dank, könnte ich alles andere bequem im Internet kaufen, denn auch mein Tag hätte ja nur 24 Stunden und meine Energieressourcen wären und sind doch eher begrenzt.

Aber so soll es ja nicht sein. Jeder soll für sich individuell und seiner Lebensphilosophie entsprechende Trends finden und umsetzen. Damit wir auch immer auf dem Laufenden sind, gibt es Trendforscher, Trendsetter oder Trendscouts.

Im privaten Leben können wir also tun und lassen was wir wollen. Aber was ist mit unserer täglichen Arbeit? Was ist mit den Trends und Entwicklungen im Gesundheitswesen, in Krankenhäusern, Medizin und der Pflege? Da werden wir, wie in allen anderen Berufen, von Wissenschaft und Forschung, gesellschaftlicher Entwicklung, Politik, Ökonomie und Zeitgeist beeinflusst, gelenkt und gefordert. Und das gefühlt jeden Tag. War es einmal der Trend zur Bereichspflege, wurde es dann die Funktionspflege. Wurden bisher Unmengen von Kurven, Beobachtungsbögen und Protokolle geschrieben, geht nun der Trend eindeutig zur digitalen Dokumentation. War vor nicht all zu langer Zeit eine Krankenschwester eben eine Krankenschwester und die Qualifikationen zur OP- oder Fachschwester für Intensivmedizin das höchste der Gefühle, geht heute der Trend zur Spezialisierung per se. Es gibt Qualifizierungen für alle Bereiche der Krankenpflege. Zu guter Letzt können ambitionierte junge Leute auch noch Pflege in all ihren Facetten studieren und haben mit ihrem Abschluss an der einen oder anderen Fachhochschule so bedeutend klingende Berufsbezeichnungen wie: Bachelor of Arts Pflege oder Master of Education.

Auf meiner Station arbeiten wir sehr eng und effektiv mit Wundmanagern und Pain Nurses zusammen. Die Betonung sollte dabei aber unbedingt auf zusammen liegen. Denn bei aller Spezialisierung oder Qualifikation bringt es den Patienten und Kollegen nur etwas, wenn ein Miteinander stattfindet.

Zum Schluss möchte ich nicht versäumen, meinen beruflichen „Lieblingstrend“ zu erwähnen. Seit etwa zehn Jahren sitze ich ununterbrochen in den verschiedensten Arbeits- oder Projektgruppen. Das eine Projekt ist noch nicht richtig umgesetzt, schon lauert ein Neues. Ich frage mich ernsthaft, was wir vor Jahren ohne Projekte waren? Mein halbes Arbeitsleben dreht sich um Konzepte, Evaluation und Implementierung.

Ich bin wirklich sehr für Neuerungen, Optimierung und Entwicklung und gegen Stillstand. Aber es gibt Tage, da wünsche ich mir, einfach mal ruhig vor mich hin zu arbeiten.

Ihre

Heidi Günther

hguenther@schoen-kliniken.de