Klinische Neurophysiologie 2014; 45 - V25
DOI: 10.1055/s-0034-1371204

Hirnaktivierung während realer 3D-Navigation

F Schöberl 1, G Kugler 2, 3, S Kohlbecher 2, P Werner 1, G Xiong 2, C la Fougere 4, E Schneider 2, T Brandt 2, 3, M Dieterich 1, 2, K Jahn 1, 2, A Zwergal 1, 2
  • 1Ludwig-Maximilians-Universität München, Neurologie, München, Deutschland
  • 2Ludwig-Maximilians-Universität, Deutsches Schwindel- und Gleichgewichtszentrum, München, Deutschland
  • 3Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinische Neurowissenschaften, München, Deutschland
  • 4Universität Tübingen, Nuklearmedizin, Tübingen, Deutschland

Einleitung: Bisherige Studien an Menschen haben hauptsächlich die Navigation in 2-dimensionalen virtuellen und realen Umgebungen untersucht. Im Alltag jedoch ist für den Menschen die räumliche Orientierung im dreidimensionalen Raum essentiell. Einzelne tierexperimentielle Navigationsstudien weisen auf unterschiedliche zerebrale Netzwerke für die Enkodierung des horizontalen und vertikalen Raums hin.

Ziel: In der aktuellen Studie wurden die Hirnaktivierungen gesunder Probanden während einer realen, vorwiegend vertikalen Navigationsaufgabe und einer horizontalen Navigationsaufgabe verglichen.

Methoden: 14 gesunde Normalpersonen (7 Frauen, mittleres Alter: 51 Jahre) absolvierten ein vertikales Navigationsparadigma in einem 15-stöckigen Treppenhaus unseres Krankenhauses. 5 verschiedene Bilder wurden auf verschiedene Stockwerke verteilt. Während der Explorationsphase wurde den Probanden die Lokalisation der einzelnen Bilder gezeigt. In der anschließenden 10-minütigen Navigationsphase mussten die Probanden nach der Injektion von [18F]-Fluor-Desoxy-Glucose (FDG) die einzelnen Bilder in pseudorandomisierter Reihenfolge wiederfinden. Der Startpunkt war ein in der Mitte gelegenes Stockwerk. Die Probanden erhielten keine Auskunft darüber, auf welchem Stockwerk der Startpunkt liegt und wie viele Stockwerke es insgesamt gibt. Alle möglichen externen Orientierungspunkte (Etagennummer, Schilder ect.) wurden abgeklebt. Ein PET-Scan wurde 30 min p.i. begonnen. Als Kontrollbedingung absolvierten alle Teilnehmer an einem 2. Termin nach FDG-Injektion stereotypes Treppensteigen für 10 Minuten ohne Navigationsaufgabe. Mithilfe von SPM wurde die Hirnaktivierung während der vertikalen Navigationsaufgabe im Vergleich zur stereotypen Lokomotion beim Treppensteigen ausgewertet. In einem 2. Schritt wurde die Hirnaktivierung während des vertikalen Navigationsparadigmas mit der Hirnaktivierung einer alters- und geschlechtsgematchten Vergleichsgruppe während eines entsprechenden horizontalen Navigationsparadigmas verglichen.

Ergebnisse: Während der vertikalen Navigationsaufgabe zeigte sich (im Vergleich zur vertikalen Lokomotion) ein signifikant erhöhter Glucosemetabolismus im anterioren Hippokampus und in beiden Kleinhirnhemisphären. Verglichen mit der Hirnaktivierung während realer Navigation in der horizontalen Ebene zeigte sich für die vertikale Navigationsaufgabe kein Unterschied bezüglich der hippokampalen Aktivierung, aber eine signifikante Mehraktivierung im Bereich der rechten Inselrinde.

Schlussfolgerungen: Unsere Daten lassen annehmen, dass der Hippokampus auch für die Repräsentation des vertikalen Raums beim Menschen eine essentielle Rolle spielt. Es zeigte sich eine Anisotropie für die Aktivierung der rechten Inselrinde, welche bei der vertikalen räumlichen Orientierung signifikant mehraktiviert war. Eine verstärkte Einbeziehung vestibulärer Information während vertikaler Navigation wäre ein möglicher Erklärungsansatz für diesen Befund. Weitere Studien sind notwendig, um die Rolle der sensorischen Systeme (vestibulär, visuell, somatosensibel) während realer 2D- und 3D-Navigation beim Menschen besser zu verstehen.