Zeitschrift für Palliativmedizin 2014; 15 - PB113
DOI: 10.1055/s-0034-1374320

Die Verpflichtung des Rettungsdienstes bei palliativem Notfall und Vorliegen einer Patientenverfügung: medizinethische und -rechtliche Analyse unter Berücksichtigung von Advance Care Planning

S Rixen 1, G Marckmann 2, J in der Schmitten 3
  • 1Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sozialwirtschafts- und Gesundheitsrecht, Universität Bayreuth, Bayreuth, Deutschland
  • 2Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Ludwig-Maximilians Universität, München, Deutschland
  • 3Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, Deutschland

Hintergrund: Viele Rettungsdienstgesetze der Länder ignorieren bis heute den Auftrag des Rettungsdienstes bei der Bewältigung palliativmedizinischer Notfälle. Entsprechend ist die Vorstellung weit verbreitet, zumindest nicht-ärztliche Mitglieder des Rettungsdiensts seien ungeachtet einer gegenteiligen Patientenverfügung primär zu Maßnahmen der Lebensrettung verpflichtet.

Methode: Literaturrecherche und medizinrechtliche Analyse der Problematik unter besonderer Beachtung des Patientenverfügungs- und des Grundgesetzes sowie der Literatur zum Advance Care Planning

Ergebnisse: Solange Unklarheit bezüglich des einschlägigen Patientenwillens besteht, gilt in Notfallsituationen auch künftig, dass lebensrettende Maßnahmen zu versuchen sind, sofern die Prognose nicht im ärztlichen Urteil infaust ist (was unter Notfallbedingungen nur in seltenen Fällen ausreichend sicher zu klären ist). Dass der Patientenwille im Notfall anhand einer Vorausverfügung nicht in tragfähiger Weise beurteilt werden kann, ist jedoch nur ein empirisches, nicht ein normatives Faktum. Die Implementierung regionaler Advance Care Planning Programme wie Respecting Choices oder ‚beizeiten begleiten' kann vielmehr dazu führen, dass mithilfe professioneller Gesprächsbegleitungen entstandene und daher aussagekräftige sowie erkennbar valide Vorausverfügungen zur Regel werden, insbesondere bei chronisch multimorbiden, pflegebedürftigen Personen. Integraler Bestandteil solcher Verfügungen sind anschauliche und eindeutige Notfallbögen wie die Hausärztliche Anordnung für den Notfall (HAnNo), deren Festlegungen zu Therapiegrenzen für jeden bindend sind, auch für das Rettungsdienst-Team.

Diskussion: Unter den Bedingungen von Advance Care Planning Programmen entstandene und daher aussagekräftige und valide Vorausplanungen für den Notfall können im palliativmedizinischen Notfall hilfreich sein; sie sind für alle Mitarbeiter des rettungsdienstlichen Teams verbindlich.