Geburtshilfe Frauenheilkd 2014; 74 - PO_Geb03_19
DOI: 10.1055/s-0034-1388081

Langzeiteffekte von ein- und mehrfachen pränatalen Betamethason-Behandlungen auf die autonome und humorale Stressantwort im Grundschulalter

I Muth 1, S Rupprecht 2, H Hoyer 3, C Ligges 4, M Ligges 4, M Schwab 2, D Hoyer 5, E Schleußner 1
  • 1Friedrich-Schiller-Universität, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Abteilung Geburtshilfe, Jena, Germany
  • 2Friedrich-Schiller-Universität, Klinik für Neurologie, Jena, Germany
  • 3Friedrich-Schiller-Universität, Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Dokumentation, Jena, Germany
  • 4Friedrich-Schiller-Universität, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Jena, Germany
  • 5Friedrich-Schiller-Universität, Biomagnetisches Zentrum, Klinik für Neurologie, Jena, Germany

Fragestellung: Die pränatale Betamethason-Behandlung zur Lungenreifungsinduktion bedingt bereits postnatal Veränderungen der Stressantwort, die durch das autonome Nervensystem und die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse vermittelt werden. Ziel war es, die autonome und humorale Stressantwort im Alter von 7 bis 9 Jahren nach ein- und mehrfachen Betamethason-Gaben zu untersuchen.

Methodik: 39 Kinder (21 Mädchen), mit einer Betamethason-Behandlung zwischen der 25. und 34. Schwangerschaftswoche (2 × 8 mg im Abstand von 24h, 17 Kinder mehrfach) und 39 Kontrollen absolvierten einen für Kinder adaptierten Trier Social Stress Test. Die Kontrollen waren paarweise gematcht für Geschlecht, Gestationsalter zur Geburt und Alter zum Untersuchungszeitpunkt. Alle Kinder wurden gesund und normgewichtig nach 34+0 Schwangerschaftswochen geboren.

Untersucht wurden die Stressantworten der autonom-kardiovaskulären (Herzfrequenzvariabilität, spontane Baroreflex-Sensitivität) und zentral-sympathischen Regulation (Speichel-α-Amylase) sowie der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (Cortisolkonzentration im Speichel).

Ergebnis: Nach einfacher Betamethason-Exposition fanden sich im Vergleich zur Kontrollgruppe abgeschwächte Stressantworten der Gesamtvariabilität der Herzfrequenzvariabilität (p = 0,004) und des parasympathisch modulierten α-Index HF [Baroreflex-Sensitivität (p = 0,033)] sowie eine höhere stressinduzierte Speichel-α-Amylase (p < 0,001). Diese Effekte zeigten sich in gleicher Größenordnung und Richtung auch nach mehrfacher Betamethason-Exposition, ohne bei geringerer Stichprobengröße Signifikanzniveau zu erreichen.

Nur nach mehrfacher Betamethason-Gabe war im Vergleich zur Kontrollgruppe eine abgeschwächte Stressantwort der sympathovagalen Balance im Zeitbereich (p < 0,001) und am Referenztag eine höhere basale Cortisolkonzentration (p = 0,009) nachweisbar.

Schlussfolgerung: Bereits nach einmaliger Betamethason-Gabe ist die autonom-kardiovaskuläre Stressantwort langfristig supprimiert, im Wesentlichen durch eine verminderte vagale Deaktivierung. Diese findet sich besonders stark nach mehrfacher Betamethason-Exposition.

Es gibt erstmals Hinweise auf eine simultane Verschiebung von sympathischer und vagaler Modulation vor Stressbeginn und eine gesteigerte basale Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achsenaktivität nach mehrfacher Betamethason-Exposition.