Der Klinikarzt 2014; 43(07/08): 343
DOI: 10.1055/s-0034-1393684
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Ösophagus- und Magenkarzinom – Interdisziplinarität ist gefragt

Florian Lordick
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Publication Date:
11 September 2014 (online)

Ösophaguskarzinome und Magenkarzinome, zusammengefasst als Karzinome des oberen Gastrointestinaltrakts, zählen mit ca. 1,4 Mio. Neuerkrankungen pro Jahr zu den häufigsten bösartigen Neubildungen weltweit. Mit 1,1 Mio. Todesfällen/Jahr sind diese aggressiven Tumoren leider auch eine der tödlichsten Erkrankungen des Globus.

Wie in keiner anderen Lokalisation kam es im Bereich des oberen Gastrointestinaltrakts zu einer drastischen Veränderung der Inzidenzraten in den letzten Jahrzehnten, mit einer deutlichen Zunahme der Adenokarzinome des Ösophagus und der proximalen Magenkarzinome, bei gleichzeitiger Abnahme der distalen Magenkarzinome. Dies deutet auf erhebliche Einflüsse von Umweltfaktoren und geänderten endogenen Faktoren hin. Dazu zählen die Verbesserung der Nahrungsmittelhygiene oder die Zunahme an Dickleibigkeit in der sogenannten entwickelten Welt.

Diese Veränderungen sind auch für den Kliniker von Relevanz. Denn letztlich machten sie eine Neuordnung der Klassifikationen notwendig und stießen eine Reihe neuer Überlegungen und Forschung zur Pathogenese sowie zu klinisch relevanten Biomarkern an. Zu nennen ist dabei die HER2-Expression, die sich gerade bei den Adenokarzinomen des gastroösophagealen Übergangs gehäuft ausgeprägt findet. Prof. Christian Wittekind als Nestor der weltweiten Tumorklassifikation und ausgewiesener Experte in der gastrointestinalen Pathologie, stellt in diesem Heft die aktuell wichtigsten Aspekte dar.

In einem sehr konkret gehaltenen Beitrag stellen Autoren aus Heidelberg-Mannheim und Rostock den aktuellen und leitliniengerechten Stand der endoskopischen und bildgebenden Diagnostik dar, auf dem die wesentlichen strategischen Therapieentscheidungen aufbauen.

Mit den wachsenden Möglichkeiten einer effektiven Systemtherapie haben sich auch die Anforderungen an die chirurgische Therapie gewandelt. Die radikale chirurgische Resektion des tumorbefallenen Organs mitsamt des regionalen Lymphabstroms bleibt jedoch für die Mehrzahl der lokalisierten Erkrankungen die einzige kurative Tragsäule. Dabei ist angesichts der Komplexität der chirurgischen Eingriffe gerade bei Ösophagus- und Magenresektionen der Qualitäts- und Zentrumsgedanke von entscheidender Bedeutung. Patienten mit einem Ösophagus- und Magenkarzinom ist dringend zu raten, sich für die chirurgische Therapie in ein Zentrum mit Erfahrung und gesicherten Qualitätsstandards zu begeben. Die Selbsteinschätzung der Chirurgie, was die Fähigkeit zur optimalen Behandlung betrifft, hat sich wesentlich gewandelt und könnte nicht besser ausgedrückt werden als im Beitrag von Prof. Katja Ott in diesem Heft: „Heutzutage ist bei einem Chirurgen zur optimalen Entscheidungsfindung für den Patienten nicht nur eine optimale chirurgische Ausbildung, sondern auch onkologische Kompetenz und die Bereitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit gefordert.“

Die Möglichkeiten personalisierter medizinisch-onkologischer Therapie haben durch die Identifikation der HER2-Expression beim Magenkarzinom einen Anfang genommen. Eine anti-HER2-gerichtete Therapie in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien ist mittlerweile empfohlener Standard. Die Qualitätssicherung in der Bestimmung prädiktiver Biomarker ist weiterhin ein relevantes Thema, gerade angesichts der großen Heterogenität ihrer Ausprägung bei Ösophagus- und Magenkarzinomen. Weitere Biomarker, die eine molekular stratifizierte und damit personalisierte Therapie erlauben, sind in Evaluation. Dr. Sylvie Lorenzen fasst in ihrem Beitrag die aktuellen Forschungsansätze zusammen.

Als personalisierte Therapie könnte man auch die Behandlung eines Patienten unter Berücksichtigung seiner individuellen Präferenzen und Zielsetzungen definieren. Dazu zählt ein qualifiziertes Erfassen der Unterstützungsbedürfnisse und der Lebensqualität vor und während einer Behandlung. Frau Prof. Anja Mehnerts Beitrag führt in die aktuell sowohl national als auch international akzeptierte Herangehensweise an das Thema Psychoonkologie bei Patienten mit Ösophagus- und Magenkarzinomen ein.

Ich wünsche mir, dass mit den hoch qualifiziert geschriebenen und sehr spannend lesbaren Artikeln dieses Themenhefts ein Beitrag zur Verbesserung der medizinischen Versorgung von Patienten mit Ösophagus- und Magenkarzinomen geleistet wurde.