physiopraxis 2014; 12(10): 22-26
DOI: 10.1055/s-0034-1395451
physiowissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Internationale Studienergebnisse


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23 October 2014 (online)

Lagebedingte Schädeldeformitäten – Helmtherapie nicht empfohlen

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Abb.: D. Brode/shutterstock.com

Eine Helmtherapie ist bei Säuglingen mit moderaten bis schweren lagebedingten Schädeldeformitäten nutzlos. Zu diesem Ergebnis kommen niederländische Forscher in ihrer Studie „HEADS“ – HElmet therapy Assessment in Deformed Skulls.

Lagebedingte Schädeldeformitäten können entstehen, wenn Säuglinge eine Präferenz für eine bestimmte Liegeposition, zum Beispiel die Rückenlage, entwickeln. Zwei typische Deformitäten sind die Plagiozephalie und die Brachyzephalie (Glossar). Die Prävalenz dieser Verformungen stieg an, als Anfang der 90er Jahre die Rückenlage empfohlen wurde, um das Risiko des plötzlichen Kindstods zu senken. Obwohl diese Deformitäten ein kosmetisches Problem ohne Folgen für die Entwicklung des Kindes darstellen, fürchten die Eltern, dass die veränderte Kopfform einen negativen physischen und psychosozialen Einfluss auf ihr Kind haben könnte. Das Mittel der Wahl ist die konservative Therapie, die unter anderem aus Umlagerungen und Physiotherapie besteht. Bleiben die Deformitäten bis zum Alter von sechs Monaten bestehen, kommt die Helmtherapie zum Einsatz.

Um den Effekt dieser Helmtherapie zu untersuchen, akquirierten Renske van Wijk und ihr Team 84 Kinder, die zwischen fünf und sechs Monate alt waren und moderate bis schwere Schädeldeformitäten hatten. Ausgeschlossen wurden Kinder mit Kraniosynostose, muskulärem Tortikollis, einer sehr schweren Schädeldeformität oder anderen Fehlbildungen. Die Schwere der Verformung bestimmten die Autorinnen anhand des „Oblique Diameter Difference Index – ODDI“ und des „Cranio Proportional Index – CPI“ (Glossar).

Sie randomisierten die Kinder in zwei Gruppen. Die eine Gruppe sollte bis zum Alter von zwölf Monaten 23 Stunden pro Tag einen Helm tragen, um das Wachstum des Schädels zu beeinflussen. Die Kontrollgruppe erhielt keine Therapie. Zu Beginn der Studie und nach fünf, acht, zwölf und 24 Monaten maßen die Forscher die Schädelform und erhoben sekundäre Outcomes wie motorische Entwicklung, kindliche Lebensqualität, Zufriedenheit und Sorgen der Eltern anhand verschiedener Fragebögen.

Zehn Kinder aus der Helmgruppe trugen diesen bis zum Alter von zwölf Monaten, wie vorgegeben, die Eltern der übrigen brachen die Helmtherapie aufgrund von Nebenwirkungen oder gutem Ergebnis früher ab. Sowohl die Plagiozephalie als auch die Brachyzephalie verbesserten sich in beiden Gruppen gleich. In beiden Gruppen hatte ein Viertel der Kinder nach 24 Monaten eine normale Schädelform entwickelt. Auch die sekundären Outcomes unterschieden sich nicht signifikant zwischen den Gruppen. Alle Eltern der Helmkinder berichteten allerdings von mindestens einer Nebenwirkung – zum Beispiel vermehrtem Schwitzen, Problemen mit der Passform des Helms oder Beeinträchtigung beim Kuscheln.

Glossar

Plagiozephalie
Einseitige Ausbuchtung der Stirn, Verschiebung der Wange und des Ohrs auf derselben Seite nach ventral

Brachyzephalie
Ausbuchtung der Schläfenbeine oder ein angehobenes Hinterhaupt

Kraniosynostose
Vorzeitige Verknöcherung einer oder mehrerer Schädelnähte

Oblique Diameter Difference Index
Verhältnis zwischen der längsten und kürzesten kranialen Diagonalen multipliziert mit 100

Cranio Proportional Index – CPI
Verhältnis zwischen der Breite und der Länge des Schädels

Die Wissenschaftlerinnen raten deshalb von einer Helmtherapie bei gesunden Säuglingen mit moderaten bis schweren Schädeldeformitäten ab. Sie empfehlen stattdessen präventive Maßnahmen: Aufklärung der Eltern über das Handling und das Umlagern der Säuglinge, Vorsorgeuntersuchungen und Behandlungen mit pädiatrischer Physiotherapie.

Da Kinder mit sehr schweren Schädeldeformitäten von der Studie ausgeschlossen waren, lässt sich das Ergebnis nicht auf diese Patientengruppe übertragen.

smo

BMJ 2014; 348: g2741

Chronische Schmerzen

Optimisten auf der Überholspur

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Abb.: kittitee550/fotolia.com

Chronische Schmerzen vermindern die Leistungsfähigkeit von Patienten, weil sie ständige Aufmerksamkeit abfordern. Die langfristigen Konsequenzen: berufliche Misserfolge, soziale Kontakte brechen weg und die Psyche leidet.


Jantine Boselie und ihr Team aus Maastricht untersuchten nun, ob eine optimistische Haltung schmerzinduzierte Leistungsschwächen überwinden kann. Für ihre Tests rekrutierten sie 74 gesunde Studierende und verteilten diese per Zufall in vier Gruppen (A–D). Zwei Gruppen (A und B) mussten nach dem Prinzip der Best Possible Self-Manipulation einen Aufsatz darüber schreiben, dass sich alles in ihrem Leben zum Besten wenden würde. Die anderen beiden Gruppen (C und D) schrieben einen Aufsatz über ihren Alltag. Vor und nach der Manipulation testeten die Forscher mit Fragebögen relevante Eigenschaften wie die Lebenseinstellung oder aktuelle Gefühle und Empfindungen der Probanden. Um Schmerzen zu provozieren, mussten die Probanden aus Gruppe A und C danach für drei Minuten eine Hand in zwei Grad kaltes Wasser halten. Die Kontrollgruppen B und D hielten ihre Hand in 34 Grad warmes Wasser. Anschließend führten alle vier Gruppen einen Konzentrationstest mit Rechen- und Wortmerkaufgaben durch.


Die Optimismusgruppen A und B erzielten bei diesen Tests gleich gute Ergebnisse. Bei den Kontrollgruppen C und D war das anders. Gruppe C, die zuvor Schmerzen durch das kalte Wasser erfuhr, zeigte signifikant schlechtere Ergebnisse. Sie wurden durch die Schmerzen in ihrer Konzentrationsfähigkeit deutlich eingeschränkt.


Die Wissenschaftler schlussfolgern daraus, dass es bei Menschen mit chronischen Schmerzen helfen könnte, Optimismus-induzierende Maßnahmen einzusetzen, um ihre Alltagskompetenz zu erhöhen. Das Versuchsprotokoll sei zwar wegen der gesunden Probanden sehr vereinfacht, zeige jedoch eine Richtung auch für Patienten mit chronischen Schmerzen, kommentierten die Autoren.


rrn


Pain 2014; 155: 334–340

Facebook & Co.

Professionalität gefragt!

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Abb.: A. Marciniec/fotolia.de

Studierende der Gesundheitsberufe nutzen zunehmend soziale Netzwerke wie Facebook. Dabei befinden sie sich in einem Dilemma zwischen dem Posten von interessanten Inhalten und dem professionellen Umgang mit sensiblen Daten. Zu diesem Schluss kam ein interdisziplinäres Forscherteam um den Chirurgen Jonathan White an der University of Alberta, Kanada.


Die Forscher führten zunächst Interviews mit 14 Studierenden durch, um relevante Themen für ihre Online-Befragung zu identifizieren. Anschließend entwickelten sie einen Fragebogen, den sie per E- Mail an 3.984 Studierende der Gesundheitsberufe verschickten. 682 Studierende (17 Prozent) nahmen an der Befragung teil – darunter angehende Ärzte, Laboranten, Logopäden, Physio- und Ergotherapeuten. Die Ergebnisse zeigten, dass 93 Prozent der Studierenden einen Account bei Facebook besitzen. 76 Prozent von ihnen überprüfen ihren Account mindestens zweimal am Tag, 39 Prozent sogar mindestens fünfmal. In ihren Freundeslisten befinden sich vor allem andere Studierende (96 Prozent) sowie frühere (73 Prozent) und aktuelle Arbeitskollegen (44 Prozent). 99 Prozent der Befragten halten es für unprofessionell, Informationen über Patienten zu veröffentlichen oder Beiträge über den eigenen Drogen- und Alkoholkonsum (94 Prozent), kriminelle Aktivitäten (91 Prozent) und sexuelle Inhalte (91 Prozent) zu posten. 69 Prozent finden es zudem unangebracht, herablassende Kommentare über Dozenten zu verfassen. Rund die Hälfte der Studierenden hat bereits bei einem Kommilitonen einen unprofessionellen Umgang mit Daten beobachtet. Mehr als ein Viertel gibt zu, selbst schon unangemessenes Material gepostet zu haben. Viele Studierende bereuen frühere Beiträge und löschen diese oder passen ihre Einstellungen an. 79 Prozent befürworten, dass die Hochschulen Richtlinien zur Nutzung der Netzwerke herausgeben.


Die Forscher schlussfolgern, dass die Studierenden ein Dilemma erleben: Sie wollen regelmäßig interessantes Material posten, um mit anderen Usern in Kontakt zu bleiben. Gleichzeitig müssen sie überlegen, wie ihre Beiträge auf andere wirken und welches Bild sie von sich vermitteln. Bei unangemessenen Beiträgen besteht die Gefahr, unprofessionell zu wirken oder sogar eine Stelle zu verlieren. Richtlinien könnten den Studierenden eine Orientierung bieten, um einen angemessenen Umgang mit sozialen Netzwerken zu entwickeln und Risiken zu vermeiden.


Saja


BMJ Open 2013; doi:10.1136/bmjopen- 2013-003013