Fortschr Neurol Psychiatr 2015; 83(02): 73
DOI: 10.1055/s-0034-1399017
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Aktuelles zur Liquordiagnostik bei Neuroinfektionen

Cerebrospinal Fluid Analysis-Based Diagnosis in Neuroinfections: an Update
M. Dieterich
,
W. Pfister
Further Information

Publication History

Publication Date:
27 February 2015 (online)

In der Diagnostik erregerbedingter Entzündungserkrankungen des ZNS ist die Liquoruntersuchung von entscheidender Bedeutung. Die Diagnose einer bakteriellen eitrigen Meningitis basiert in der Regel auf dem mikroskopischen und kulturellen Erregernachweis im Liquor, während sich der Liquor-Antigen-Test vor allem in der Diagnostik einer Kryptokokkeninfektion eignet. Der Einsatz der Liquor-PCR-Methodik hat wiederum besonders bei viralen ZNS-Infektionen (z. B. in der Diagnostik von Viren der Herpesgruppe oder des JC-Polyoma-Virus) zu entscheidenden Verbesserungen geführt. Darüber hinaus gehört die Bestimmung erregerspezifischer Liquor-/Serum-Antikörper-Indizes (z. B. in der Diagnostik von Neuroborreliose, Neurolues und FSME) zu den wichtigen Grundpfeilern der Liquordiagnostik erregerbedingter ZNS-Infektionen.

In den letzten 5 – 10 Jahren haben neue Erkenntnisse dazu geführt, dass heute in der Differenzialdiagnostik akuter entzündlicher ZNS-Erkrankungen insbesondere Autoimmun-enzephalitiden (z. B. limbische Enzephalitiden) berücksichtigt werden müssen; diese wurden teilweise erst in den letzten Jahren beschrieben und systematisch analysiert. Demzufolge kann und muss mittlerweile ein Teil der früher als „lymphozytär, vermutlich viral“ klassifizierten Meningoenzephalitiden dem Spektrum der Autoimmunenzephalitiden zugeordnet werden. Dennoch ist zu bedenken, dass die Ursache eines nicht unerheblichen Anteils akuter Enzephalitiden auch heute noch ungeklärt bleibt. Dies zeigt eine kürzlich durchgeführte prospektive englische Studie, in der bei 203 Patienten mit einem enzephalitischen Krankheitsbild eine sehr aufwendige Diagnostik inklusive PCR- und Antikörperbestimmungen erfolgte [1]. Trotzdem blieb bei 75 Patienten (37 %) die Ursache der Enzephalitis unklar; bei 42 % der Patienten fand sich eine infektiöse und bei 21 % eine autoimmunvermittele Ursache.

Trotz der stetigen Fortschritte in der Liquordiagnostik gibt es im klinisch-neurologischen Alltag immer wieder Schwierigkeiten, vor allem wenn es gilt, die Verdachtsdiagnose der tuberkulösen Meningoenzephalitis zu belegen, wie dies im Artikel von Frau Spreer und Herrn Nau in diesem Heft (S. 109) thematisiert wird [2]. Oft muss daher bei klinischem Verdacht und typischer Konstellation der verschiedenen Liquorroutineparameter bereits ohne eindeutige Diagnosesicherung mit der Therapie begonnen werden.

Um diese Unsicherheiten weiter zu reduzieren, könnte bei bestimmten klinischen Konstellationen der Einsatz von Liquormarkern in der Diagnostik erregerbedingter Entzündungserkrankungen hilfreich sein, wie z. B. der Nachweis des Chemokins CXCL-13 im Liquor in frühen Krankheitsphasen der akuten Neuroborreliose, wenn die intrathekale Borrelien-spezifische Antikörperproduktion noch nicht nachweisbar ist [3]. Kürzlich durchgeführte Untersuchungen weisen allerdings auf Spezifitätsprobleme des Liquor-CXCL-13 in der Diagnostik der akuten Neuroborreliose hin, da auch bei anderen Krankheiten wie dem ZNS-Lymphom erhöhte Liquor-CXCL13-Konzentrationen beobachtet werden können [4]. Daher sind weitere Untersuchungen erforderlich, um zu klären, ob möglicherweise die Bestimmung einer Kombination verschiedener Liquormarker zu einer Spezifitätserhöhung führen kann. Insgesamt ist zu hoffen, dass die moderne Proteom-Forschung die Liquordiagnostik weiter verbessern wird.

Zoom Image
Prof. Dr. M. Dieterich
Zoom Image
Prof. Dr. W. Pfister
 
  • Literatur

  • 1 Granerod J, Ambrose HE, Davies NW et al. Causes of encephalitis and differences in their clinical presentations in England: a multicentre, population-based prospective study. Lancet Infect Dis 2010; 10: 835-844
  • 2 Spreer A, Nau R. Liquordiagnostik bei erregerbedingten neurologischen Erkrankungen. Fortschr Neurol Psychiatr 2015; 83: 109-122
  • 3 Schmidt C, Plate A, Angele B et al. A prospective study on the role of CXCL13 in Lyme neuroborreliosis. Neurology 2011; 76: 1051-1058
  • 4 Rubenstein JL, Wong VS, Kadoch C et al. CXCL13 plus interleukin 10 is highly specific for the diagnosis of CNS lymphoma. Blood 2013; 121: 4740-4748