Pneumologie 2015; 69 - A2
DOI: 10.1055/s-0035-1548632

Massive Infektion und alveolare Schädigung der humanen Lunge durch das Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus (MERS-CoV)

A Becher 1, J von Recum 2, K Schierhorn 2, T Wolff 2, M Tönnies 3, J Neudecker 1, J Rückert 1, P Schneider 4, AD Gruber 5, N Suttorp 1, S Hippenstiel 1, AC Hocke 1
  • 1Charité-Universitätsmedizin Berlin, Berlin
  • 2Robert Koch-Institut, Berlin
  • 3HELIOS Klinikum Emil von Behring, Berlin
  • 4DRK Kliniken, Berlin
  • 5Freie Universität, Berlin

Einleitung: Im Sommer 2012 wurde mit MERS-CoV ein neuer Erreger pulmonaler Infektionen identifiziert. MERS-CoV-infizierte Patienten entwickeln häufig eine schwere Pneumonie mit akutem Atemnotsyndrom (ARDS). Von den bisher weltweit 699 bestätigten MERS-CoV-Fällen verliefen 209 tödlich. Der Erkrankung zugrundeliegende Pathomechanismen sind bislang weitgehend unbekannt. Da bis heute keine Autopsiestudien vorliegen, fehlen wegweisende Informationen zur Virus-Wirts-Interaktion in der menschlichen Lunge. Um diese zu analysieren

wurde die MERS-CoV-Infektion direkt in primärem humanem ex vivo kultivierten Lungengewebe untersucht werden.

Methoden: Mittels Plaque Assay wurde dabei zum einen das Replikationsvermögen des Virus untersucht. Zudem konnte mittels spektraler Konfokalmikroskopie erstmalig der virale Zelltropismus als auch ein infektionsbedingter alveolarer Schaden in der Lunge nachgewiesen werden.

Ergebnisse: MERS-CoV replizierte sehr effizient und mit ähnlicher Kinetik wie ein mitgeführtes hochpathogenes H5N1-Influenzavirus. Die mikroskopischen Analysen ergaben, dass sich beide Viren hinsichtlich ihres Zelltropismus stark unterscheiden. Während das hochpathogene H5N1-Virus lediglich Typ II Zellen infizierte stellte sich für das MERS-CoV eine massive Infektion des gesamten pulmonalen Kompartiments dar: MERS-CoV Antigen war sowohl in Bronchialepithel-, alveolären Typ I und Typ II Epithel- als auch in Endothelzellen nachweisbar. Zudem fand sich ein durch MERS-CoV verursachter apoptotischer alveolärer Epithelzellschaden, welches ferner zur Trennung alveolarer junktionaler Verbindungen und konsekutiver Ablösung der infizierten Zellen von der Basalmembran führte.

Diskussion: Der hier gezeigte apoptotische alveolare Epithelzellschaden führt nicht nur zu einem verminderten Gasaustausch und einem Verlust der alveolaren Barrierefunktion, sondern auch zur Reduktion der Surfactantproduktion, was einen alveolären Kollaps nach sich zieht. Zusammen mit dem breiten Zelltropismus des MERS-CoV, welcher zu einer massiven Infektion des pulmonalen Gewebes führt, weist dies auf einen erheblichen infektionsbedingten strukturellen alveolaren Schaden hin. Dieser ist ein wesentliches Merkmal des häufig am MERS-CoV-Patienten diagnostizierten ARDS.