Geburtshilfe Frauenheilkd 2015; 75 - A28
DOI: 10.1055/s-0035-1551602

Crystalkonsum in der Schwangerschaft – ein Randphänomen?

H Urban 1, K Nitzsche 1, P Wimberger 1
  • 1Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

Hintergrund:

Suchtbezogene Probleme sind in Deutschland wie auch in Sachsen kein Randphänomen. Laut Bericht der Suchtkrankenhilfe in Sachsen 2014 ist der Crystalkonsum in den letzten Jahren massiv angestiegen. Bei Crystal bzw. Methamphetamin handelt es sich um ein starkes Psychostimulans auf Amphetamin-Basis, welches ein hohes Abhängigkeitspotential besitzt. Hauptprobleme sind die leichte Verfügbarkeit sowie die geringen Kosten. Die Mehrzahl der konsumierenden Frauen befindet sich im fortpflanzungsfähigen Alter. Die Datenlage zu Crystalkonsum in der Schwangerschaft sowie Folgen für die betroffenen Kinder erscheint sehr lückenhaft.

Statistik der Unifrauenklinik Dresden:

An der Unifrauenklinik Dresden bestätigt die Statistik den massiv zunehmenden Missbrauch von Drogen bei jungen Familien und Schwangeren in den zurückliegenden Jahren. So hat sich die Anzahl der werdenden Mütter mit Crystalkonsum von 2012 (17 Schwangere – 0,7% der Geburten) bis 2014 (33/1,4%) nahezu verdoppelt – Tendenz steigend. Die Auswirkungen auf die Schwangerschaft gelten als noch nicht hinreichend untersucht. Bekannt ist, dass extreme maternale Blutdruckschwankungen und Vasokonstriktion zu einer Verminderung der Gebärmutterdurchblutung führen. Das Risiko für eine vorzeitige Plazentalösung erscheint erhöht, die Kinder kommen häufig als Frühgeburt zur Welt und sind oft mangelentwickelt. In den letzten 4 Jahren sahen wir 87 Schwangere mit nachgewiesenem Crystalkonsum. Davon wurden 80 Frauen an unserer Klinik entbunden. Die Rate der Frühgeborenen betrug 29%, 18% der Kinder waren SGA-Feten, in 4 Fällen (5%) wurde ein IUFT festgestellt, wobei zwei mal eine vorzeitige Plazentalösung zu Grunde lag (2,3%). Das durchschnittliche Alter der Frauen betrug im Schnitt 24 Jahre. 69 (79%) gaben anamnestisch einen Nikotinabusus an, bei 30% wurde außerdem ein Cannabis Co-Abusus nachgewiesen. In 24% der Fälle war eine späte Schwangerschaftsfeststellung ohne Schwangerenvorsorge auffällig, 26% der Frauen waren psychisch vorerkrankt und 21% wurden im Laufe der Schwangerschaft wegen vorzeitiger Wehentätigkeit stationär behandelt.

Bei Nachweis des Crystalkonsums in der Schwangerschaft erfolgt an der Unifrauenklinik Dresden die interdisziplinäre Betreuung durch Gynäkologen, Pädiater sowie Sozialpädagogen mit der intensivierten Schwangerenvorsorge in der Intensivschwangerenberatung, der engmaschiger Überwachung der Kinder auf einer perinatologischen Station, dem primären Abstillen der Mütter, Kontaktaufnahme zum Jugendamt sowie Angebote der Drogenrehabilitation.

Zusammenfassung: Crystal hat sich in den letzten Jahren zu einer ernstzunehmenden Alltagsdroge entwickelt, deren Auswirkungen auf Schwangere und das ungeborene Leben in vollem Umfang zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen sind. Es bedarf weiterer intensiver Aufklärungs- und Forschungsarbeit um die verheerenden Folgen abschätzen zu können und stärker in das gesellschaftliche Bewusstsein zu rufen.