Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2015; 12(03): 157-158
DOI: 10.1055/s-0035-1553657
Kommentar
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erwiderung zum Kommentar zu „Intraoperative Strahlentherapie beim Mammakarzinom mit niederenergetischen Röntgenstrahlen“

Reply to the commentary to “Intraoperative radiotherapy with low energy x-rays in early breast cancer”
M. Sütterlin
1   Frauenklinik der Universitätsmedizin Mannheim
,
E. Sperk
2   Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie der Universitätsmedizin Mannheim
,
S. Berlit
1   Frauenklinik der Universitätsmedizin Mannheim
,
F. Wenz
2   Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie der Universitätsmedizin Mannheim
,
B. Tuschy
1   Frauenklinik der Universitätsmedizin Mannheim
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
12 October 2015 (online)

Der emotionale Kommentar von Herrn Professor Strnad unterstellt eine unwissenschaftliche Darstellung der Datenlage zur intraoperativen Radiotherapie (IORT) mit niederenergetischen Röntgenstrahlen bei Brustkrebs und versucht unsere Übersichtsarbeit als aggressive Werbung für eine angeblich noch experimentelle Methode zu disqualifizieren. Dieser Darstellung möchten wir nachdrücklich widersprechen.

Zunächst ist die Behauptung von Herrn Strnad, dass die Autoren der TARGIT-Gruppe und auch wir in unserem Artikel eine Gleichwertigkeit einer alleinigen intraoperativen Bestrahlung mit einer konventionellen Bestrahlung vorgeben, falsch. Die Ergebnisse der TARGIT-A-Studie haben gezeigt, dass eine intraoperative Radiotherapie mit niederenergetischen Röntgenstrahlen in einem risikoadaptierten Konzept eine nicht unterlegene Alternative zur konventionellen postoperativen Radiatio darstellt. Hier liegt also dieselbe Situation vor wie bei der brusterhaltenden Operation gefolgt von einer Ganzbrustbestrahlung, die im Vergleich zu der radikalen Brustamputation eine höhere – aber akzeptabel höhere – Rezidivrate aufweist. Auch hier besteht Non-Inferiority.

Des Weiteren empfiehlt die TARGIT-Gruppe nach Auswertung der Daten, die IORT im risikoadaptierten Konzept ausschließlich im Rahmen der initialen brusterhaltenden Operation durchzuführen, da bei dieser Vorgehensweise im sog. Prepathology Stratum der TARGIT-A-Studie, dessen getrennte Analyse prospektiv geplant worden war, der Unterschied für die 5-Jahres-Lokalrezidivrate in der Studien- und Kontrollgruppe mit 2,1 vs. 1,1 % und die Anzahl der Todesfälle (TARGIT n = 29 vs. EBRT n = 42) nicht signifikant unterschiedlich und somit sicher nicht unterlegen waren (p = 0,31 bzw. 0,123).

Darüber hinaus werden in der Übersichtsarbeit überwiegend die bis dato in renommierten Zeitschriften publizierten Ergebnisse von diversen wissenschaftlichen Arbeitsgruppen wiedergegeben. Die Bewertung der Daten erfolgt durch unabhängige Kommissionen wie zum Beispiel die entsprechende S3-Leitlinienkommission, die DEGRO, die AGO und das NICE in Großbritannien. Diese unabhängigen Kommissionen haben sich zu den Empfehlungen über den Einsatz der neuen Methode in der klinischen Routine sorgfältig Gedanken gemacht. Außerhalb von klinischen Studien halten sich nach unserer Kenntnis die deutschen Zentren sehr streng an die Empfehlungen dieser unabhängigen Kommissionen, deren Arbeit keinesfalls diskreditiert werden sollte. Entgegen der Meinung von Herrn Strnad haben diese unabhängigen Kommissionen durchaus eine Berechtigung des Einsatzes der IORT außerhalb von klinischen Studien gesehen.

Die beobachtete unterschiedliche Rate an kardiovaskulären Ereignissen im Studien- und Kontrollarm der TARGIT-A-Studie als „sehr unglaubwürdig“ zu bezeichnen ist äußerst despektierlich, zumal diese von dem von Prof. Cuzick geleiteten Data Monitoring Committee überprüft und nicht, wie von Herrn Strnad suggeriert, als sekundär strahleninduziert dargestellt wurde. Die Möglichkeit, dass es sich um einen Zufallsbefund handeln könnte, wird auch von den Autoren nicht bestritten. Doch auch die Möglichkeit, dass es sich nicht um ein zufälliges Ergebnis handelt, muss von unvoreingenommenen Wissenschaftlern in Betracht gezogen werden.

Wir empfehlen im Übrigen in keinster Weise, die intraoperative Teilbrustbestrahlung in der Rezidivsituation nach vorausgegangener konventioneller Bestrahlung als klinische Routinemaßnahme einzusetzen, sondern haben lediglich dargestellt, dass es „möglich“ bzw. „machbar“ ist, eine IORT mit niederenergetischen Röntgenstrahlen bei einem Mammakarzinomrezidiv nach brusterhaltender Therapie mit perkutaner Radiatio durchzuführen. Es wurde klar darauf hingewiesen, dass dies den dezidierten Wunsch der Patientin nach einem erneuten Brusterhalt sowie eine eingehende Aufklärung über die in der Tat sehr begrenzte Datenlage voraussetzt.

Da Herr Strnad in seinem Kommentar überwiegend bereits von anderen Autoren in „Letters to the Editor“ gemachte Aussagen aufgreift und falsche Aussagen zur Statistik der Studie macht, möchten wir auf weitere detaillierte Einzelantworten verzichten und verweisen auf den aktuellen „Letter to the Editor“ des Erstautors der TARGIT-A-Studie, Prof. Jay Vaidya, im International Journal of Radiation Oncology, Biology, Physics mit dem Titel „Pride, Prejudice, or Science“ [1], der auf diese kritischen Anmerkungen umfassend eingeht.

So wie die Befürworter der Methode, die in Studien weitere valide Daten zur Effektivität und Sicherheit der IORT generieren, den Kritikern des Verfahrens nicht Besitzstandswahrung als Motivation ihres Handelns unterstellen, sollte auch der Vorwurf des unwissenschaftlichen Marketings aus unlauteren Motiven gegenüber den Autoren zugunsten eines objektiven wissenschaftlichen Diskurses sine ira et studio unterbleiben.

 
  • Literatur

  • 1 Vaidya JS, Bulsara M, Wenz F et al. Pride, Prejudice, or Science: Attitudes Towards the Results of the TARGIT-A Trial of Targeted Intraoperative Radiation Therapy for Breast Cancer. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2015; 92: 491-497